Mobilität: Das Fahrrad als Dienstwagen

Immer mehr Firmen bieten ihren Mitarbeitern ein Dienstrad an. Ein Geschäft zu beiderseitigem Nutzen.

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Fahhrad, Sonne, Dienstrad

(Bild: JobRad)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Wenn Firmen wachsen, müssen sie sich mit zahlreichen neuen Problemen auseinandersetzen: Neue Mitarbeiter brauchen nicht nur neue Büros, sondern auch Kaffeemaschinen, sanitäre Anlagen, Haustechniker und Parkplätze. Zudem: Wenn sich Tausende Mitarbeiter gleichzeitig auf einem Werksgelände oder Campus eintreffen, ergeben sich zwangsläufig Staus, die sich letztendlich auf die Arbeitszeit auswirken.

Dies war ein Grund, warum sich der Softwarekonzern SAP bereits 2015 entschied, sich an einem relativ neuen Trend zu beteiligen: Für seine deutschen Mitarbeiter hat das Unternehmen einen Rahmenvertrag abgeschlossen, mit dem jeder Interessent ein hochwertiges Fahrrad erwerben kann. Mit einigem Erfolg: Mittlerweile haben 2600 der über 20.000 Mitarbeiter in Deutschland einen solchen Vertrag abgeschlossen und fahren zumindest manchmal mit dem Fahrrad zur Arbeit.

"Jedes Auto, das wir von der Straße bekommen, entlastet die Verkehrssituation hier am Standort", sagt Steffen Krautwasser, der für den Fuhrpark des Unternehmens verantwortlich ist. Der Konzern erhofft sich, dass die Mitarbeiter nicht nur den morgendlichen Stau vermeiden können, sondern dass die regelmäßige Bewegung Gesundheit und Wohlbefinden verbessern. Zudem hilft die Initiative SAP bei dem Ziel, bis 2025 ein klimaneutrales Unternehmen zu sein.

Besonderer Bonuspunkt für Unternehmen: Solche Fahrradleasing-Initiativen sind für den Arbeitgeber fast kostenfrei. Denn die hochwertigen Fahrräder werden von den Angestellten selbst bezahlt: Über eine sogenannte Gehaltsumwandlung werden die Leasingraten über drei Jahre vom Gehalt direkt abgeführt. Das kann sich für beide Seiten lohnen: Zum einen muss der Arbeitgeber auf diese Weise weniger Sozialabgaben abführen. Der Arbeitnehmer hingegen kann seinen täglichen Arbeitsweg von der Steuer absetzen und muss nur ein Prozent des Kaufpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Und nach Ablauf der 36 Monate können die Mitarbeiter das Fahrrad zum Restwert kaufen – oder den nächsten Leasingvertrag abschließen.

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Gerade das E-Bike hat die Attraktivität des Leasing-Modells erhöht. "Mitarbeiter, die eigentlich nur noch Auto gefahren sind, fahren nun auch in ihrer Freizeit Rad", berichtet Krautwasser. Die Fahrräder mit Hilfsantrieb schonen zum einen die Gelenke. Zum anderen lassen sie auch einen täglichen Arbeitsweg von zehn Kilometern oder mehr als willkommenes Training erscheinen. Insgesamt die Hälfte der bei SAP neu angeschafften Fahrräder haben einen Elektroantrieb.

Die höheren Kosten für ein E-Bike machen das Leasing-Modell ebenfalls attraktiv – es lohnt dagegen kaum, für ein Baumarkt-Fahrrad für 500 Euro einen Leasing-Vertrag aufzusetzen. "Die Zahl der JobRad-Arbeitgeber hat sich in den letzten drei Jahren verzehnfacht. Sicher ist es auch der E-Bike-Trend, der dieses Wachstum antreibt", erklärt Annette Treu vom Leasing-Anbieter JobRad gegenüber heise online. Mehr als die Hälfte der vom Freiburger Anbieter vermittelten Fahrräder sind E-Bikes. Der Marktführer hat nach eigenen Angaben mittlerweile Rahmenvereinbarungen mit den Arbeitgebern von 1,5 Millionen Beschäftigten geschlossen. Davon nutzt freilich nur ein Bruchteil die Möglichkeit. Nach Schätzung der Firma sind derzeit in Deutschland insgesamt über 250.000 Diensträder im Einsatz.

Widerstand gegen das Modell kommt derzeit noch von Gewerkschaften. Da die Ersparnis aus den Sozialbeiträgen stammt, ist ein Teil der Kosten nur in die Zukunft verschoben. Wer einen Teil seines Gehalts in Leasing-Raten umwandelt, muss auch mit einer geringfügig verringerten Rente rechnen. Die über das Leasing-Modell angeschafften Fahrräder sind hingegen deutlich teurer als die Modelle, die sich die meisten Arbeitnehmer privat anschaffen würden. Im Schnitt kosten die von JobRad finanzierten Räder 2500 Euro, dazu bietet das Unternehmen Pakete für die Wartung der Räder und eine Diebstahlversicherung an.

Arbeitgeber können auch mehr zuzahlen, indem sie etwa die Kosten für das Wartungspaket aus eigener Kasse übernehmen. Wichtig ist auch, dass sie das Radfahren im Betriebsablauf einplanen. So ist das Leasing-Angebot nur wenig attraktiv, wenn die Mitarbeiter ihr teures Rad nur draußen vor dem Werksgelände ungeschützt parken können.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC hat zusammen mit der Europäischen Union einen Ratgeber für fahrradfreundliche Arbeitgeber: veröffentlicht. Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen vom Betriebsausflug auf dem Fahrrad über die Anschaffung von Rädern für Fahrten auf dem Betriebsgelände bis zur Diebstahlsprävention. Wer es schafft, effektiv Mitarbeiterautos einzusparen, kann statt der Parkplätze einen überdachten und beleuchteten Abstellplatz in Arbeitsplatznähe bauen. Gerade bei sommerlichen Temperaturen sind Fahrradfahrer auch über eine Umkleide und eine Möglichkeit zum Duschen erfreut.

Im Gegenzug können Arbeitgeber profitieren: So sind die positiven Auswirkungen des Radfahrens auf die Gesundheit allgemein unbestritten. JobRad verweist unter anderem auf eine Studie der Universität Bonn, wonach Radfahrer im Schnitt zwei Tage pro Jahr weniger als Autofahrer wegen Krankheit ausfielen. Ob sich ähnliche Werte auch bei den Fahrradleasing-Modellen einstellen, muss sich allerdings noch langfristig erweisen. So hatten in der Bonner Studie lediglich Ganzjahres-Radler einen deutlichen Krankheits-Rückgang zu verzeichnen. Wer nur im Sommer in die Pedale tritt, fiel genauso oft aus wie Autofahrer oder Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. (jk)