Das Gespenst der Stagflation ist zurück

Geldentwertung und Güterverknappung, ein toxisches Gemisch. Symbolbild: stevepb auf Pixabay (Public Domain)

Die Angst vor hoher Inflation bei einer gleichzeitig stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaft nimmt zu

"Die Angst vor Stagflation treibt die Investoren um", schlagzeilte das Handelsblatt am Donnerstag. "Stehen wir vor einer Stagflation?", hat Die Presse aus Österreich am Freitag gefragt und die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) titelte kürzlich. Die Welt meinte unlängst: "Stagflations-Sorgen - Jetzt wächst die Angst vor dem Szenario, das keine Gewinner kennt", während der britische Guardian titelte: "Das Vertrauen der britischen Wirtschaft kollabiert, da die Angst vor einer "Stagflation" wächst."

Man könnte weitere ähnliche Überschriften auch aus anderen Ländern bringen, die alle in eine Richtung gehen und von einem "toxischem Gebräu" sprechen - sowie davon, dass die Stagflation der 1970er-Jahre, die es damals es im Zuge des ersten Ölpreisschocks gegeben hatte, wieder am Horizont aufziehen könnte.

Dass seit Erfindung des World Wide Web nie häufiger nach dem Stichwort "Stagflation" gegoogelt wurde, macht ebenfalls eine steigende Besorgnis klar. Sogar die Sparkasse erklärt inzwischen auf ihren Webseiten: "Stagflation - ein ernstes Risikoszenario". Sie stellt fest, dass die weltweite wirtschaftliche Erholung trotz kräftiger Turbulenzen immer noch weiterläuft, fragt dann aber zu Recht besorgt: "Wie lang wird sie durchhalten?"

Doch erst mal zur Begriffsklärung: Der Begriff Stagflation wird dem Sprecher für Wirtschaftsfragen der konservativen Tories in Großbritannien, Iain Macleod, zugeschrieben: "Wir erleben jetzt das Schlimmste aus beiden Welten - nicht nur Inflation auf der einen oder Stagnation auf der anderen Seite, sondern beides zusammen. Wir haben eine Art ‚Stagflation-Situation‘, sagte Macleod einst in einer Parlamentsrede und machte deutlich, dass sich in Großbritannien schon Mitte der 1960er Jahre zwei große volkswirtschaftliche Probleme zu einem noch größeren Problem zusammengeballt hatten.

Tatsächlich wurde die Stagflation erst in den 1970er-Jahren auch für Großbritannien zu einem ernsten Problem, als sich der Ölpreis innerhalb von zwei Jahren verdoppelte und gleichzeitig die Inflation deutlich stieg. Stagflation wird in der Regel durch einen spezifischen Schock für die Wirtschaft definiert, der zu einer starken Inflation und zu einer Stagnation oder Rezession führt. In den 1970er-Jahren war es der Ölpreisschock, da sich stark steigende Energiepreise bald in steigenden Preisen für Produkte und Dienstleistungen niederschlagen.

Das Phänomen war auch sonst in weiten Teilen der westlichen Welt zu beobachten, besonders deutlich war es aber in Großbritannien. Auch in den USA schrumpfte zum Beispiel die Wirtschaftsleistung Mitte der 1970er-Jahre bei gleichzeitig hoher Inflation. Schon im Rahmen der Finanzkrise wurde ab Ende 2007 verstärkt von dem "Gespenst der Stagflation gesprochen und an Parallelen aus den Jahren der ersten Ölkrise erinnert. Die Möglichkeit bestand, allerdings dürften die Chancen, dass es zu einer Situation wie in den 1970er-Jahren kommt, heute deutlich größer sein. Das hat aber nicht nur mit stark gestiegenen Energiepreisen zu tun, die zuletzt 15 Prozent ausgemacht und die offizielle Inflationsrate in Deutschland auf 4,1 Prozent erhöht haben. Sie liegt damit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr war. Hinzu kommen die vielfach angesprochenen Probleme von Lieferketten und Lieferengpässen.

Chipmangel als Grund für stillstehende Bänder

Seit Monaten wird bereits von den Problemen der Autoindustrie gesprochen, deren Bänder zum Teil stillstehen, weil Mikrochips aus China fehlen. Inzwischen hört man, dass auch die Magnesiumlager zur Herstellung von Aluminium leer sind, weshalb weitere Produktionsstopps befürchtet werden. Auch hier schlagen die Globalisierung und die völlige Abhängigkeit von China zu. Die Vorräte reichten nur noch bis Ende November, obwohl schon wegen fehlender Mikrochips weniger Autos gebaut werden. "Das ist ein riesiges Problem, vor dem wir hier derzeit stehen", erklärte Tim Stappen, Sprecher des Gesamtverbands der Aluminium-Industrie gegenüber der ARD-tagesschau.

In Spanien wurde schon im September berichtet, dass die Autoproduktion längst "eingebrochen" sei. Nicht gegenüber dem Covid-Jahr ist sie in den ersten acht Monaten dieses Jahres um mehr als ein Viertel in die Knie gegangen, sondern gegenüber 2019. So ist es auch kein Wunder, dass von einem nachholenden starken Wachstum nach dem Ende der Covid-Maßnahmen nicht viel zu spüren ist. Das Wachstum in Spanien blieb schon im zweiten Quartal deutlich hinter den Prognosen zurück und hat nur um schwache 1,1 Prozent zugelegt. Erwartet worden waren aber 2,8 Prozent.

Hier würgen längst schon exorbitante Strompreise die Wirtschaft ab, obwohl das nicht nur an den gestiegenen Energiekosten liegt, sondern auch an Spekulation und an absurden Tarifsystemen. Nach Sidenor haben inzwischen auch andere Stahlhersteller wie AcelorMittal und Reinosa Forgings & Castings die Produktion in einigen Werken des Landes eingestellt. Die "Dominosteine fallen", wird berichtet, da ähnliche Maßnahmen inzwischen von immer mehr Firmen angekündigt werden.

Die Anzeichen mehren sich

Haben wir es also vielleicht schon mit einem gefährlichen selbstverstärkenden System zu tun, das die Konjunktur zunehmend belasten und in Richtung Stagnation oder Rezession drücken könnte, zumal die hohe Inflation den Verbrauchern zusätzlich Kaufkraft raubt? Die Anzeichen für das gefährliche Stagflationsszenario mehren sich. So stagniert zum Beispiel die weltweite Industrieproduktion schon seit Monaten und auch die Einzelhandelsumsätze sind zuletzt enttäuschend ausgefallen. Lieferengpässe, Probleme mit den Lieferketten und Produktionsstopps führen insgesamt zu einer Güterverknappung.

Das allein ist schon inflationstreibend. Aber diese Güterverknappung steht zudem einer riesigen aufgeblähten Geldmenge gegenüber, womit wir beim stärksten inflationstreibenden Faktor sind. Im Rahmen der Covid-19-Pandemie haben die Notenbanken weltweit die Geldmärkte wie nie zuvor geflutet. Allein die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank (FED) und die Bank of Japan haben im Frühjahr 2020 mehr als fünf Billionen US-Dollar zusätzlich in die Märkte gepumpt.

Dieses "Fiat"-Geld, das aus dem Nichts über die "Notenpressen" geschaffen wird - dabei wird es heutzutage nicht einmal mehr gedruckt - kommt zu den Billionen hinzu, die seit der Finanzkrise in die Währungsräume geflossen sind. Wie von Telepolis schon mehrfach ausgeführt, hatte die EZB unter Mario Draghi im Euroraum die ultralockere Geldpolitik auch dann nicht zurückgenommen, als die Wirtschaften wieder deutlich wuchsen. Als sich erste konjunkturelle Schwächen zeigten und schon vor der Corona-Krise erneut eine Rezession aufzog, wurden die umstrittenen Anleihenkäufe sofort wieder aufgenommen.

Tatsächlich waren sie aber nie eingestellt worden, obwohl das gerne so dargestellt wurde. Denn Gelder aus fällig gewordenen Anleihen wurden nicht vom Markt gesaugt, um die Geldschwemme zu vermindern, sondern wurden erneut in Anleihen gesteckt. Damit hatte sich die Bilanzsumme der EZB nie verringert. Auch vom Null-Leitzins und von Negativzinsen für Einlagen bei der Zentralbank hatte sich die EZB nie verabschiedet. Die FED dagegen hatte dagegen nach der Finanzkrise, allerdings auch nur zaghaft, mit einer Normalisierung begonnen.

Sie hatte die Anleihenkäufe eingestellt und die Leitzinsen wieder langsam erhöht. Sie wurden dann aber durch den damaligen US-Präsidenten Donald Trump wieder nach unten geprügelt, um vor den Wahlen die Konjunktur anzukurbeln.

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