Deutschland lebt über seine Verhältnisse

Symbolbild: Kaique Rocha/Pexels

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Hunger, Unwettern, Treibhausgasen und Deutschlands Verantwortung, wie sie von Jugendlichen gesehen wird

Die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre steigt weiter an. Darauf weist die Weltmeteorologieorganisation WMO hin, der Dachverband der nationalen Wetterdienste, der zu den ältesten Organisationen der vereinten Nationen gehört.

Sowohl beim Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten der Klimagase, als auch beim Methan (CH4) und beim Distickstoffoxid (N2O, Lachgas) wurden 2020 neue Rekorde verzeichnet.

Letzteres entsteht bei einigen Industrieprozessen und vor allem durch übermäßigen Einsatz von Stickstoffdünger. Methan entweicht bei der Förderung von Erdgas, aus Mülldeponien, den Mägen von Wiederkäuern und aus unter Wasser stehenden Reisfeldern.

Die Konzentration der Gase hat inzwischen bezogen auf das vorindustrielle Niveau der Mitte des 18. Jahrhunderts 149 (CO2), 262 (CH4) und 123 Prozent (N2O) erreicht. Die Konzentration aus jener Zeit ist aufgrund der Analyse von Lufteinschlüssen im Gletschereis bekannt.

Zusammen mit Wasserdampf und - im deutlich geringeren Umfang - einigen anderen Gasen sorgen sie dafür, dass die langwellige Wärmestrahlung des Erdbodens und der untersten Luftschichten nicht ungehindert ins Weltall entweichen können. Stattdessen wird diese durch die Moleküle der genannten Gase zunächst absorbiert, wodurch sich die Luft erwärmt.

Vom Weg abgekommen

Das am Montag veröffentlichte WMO-Treibhausgas-Bulletin zeigt, dass dieser wärmende Effekt des langlebigen CO2 seit 1990, also seit den ersten Verhandlungen über die Klimaschutzkonvention der UN, sich um 47 Prozent verstärkt hat. Entsprechend liegt die globale Mitteltemperatur inzwischen rund 1,1 Grad Celsius über dem Niveau der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Rund die Hälfte des hauptsächlich durch die Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdölprodukten sowie durch Entwaldung freigesetzten CO2 verbleibt für mehrere Jahrtausende in der Atmosphäre. Die andere Hälfte wird innerhalb weniger Monate von den Ozeanen und der Biosphäre aufgenommen.

Das Treibhausgas-Bulletin liefert eine nachdrückliche wissenschaftliche Botschaft an die Klimadiplomaten auf der COP26 (die demnächst beginnende UN-Klimakonferenz). Bei den gegenwärtigen Zuwachsraten der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre wird der Anstieg der Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts weit über den Zielen der Pariser Übereinkunft von 1,5 bis 2 Grad Celsius liegen. Wir sind sehr weit vom Weg abgekommen.

Petteri Taalas, WMO-Generalsekretär

Hunger, Zerstörung, Flucht

Erst letzte Woche hatte der Meteorologen-Dachverband gemahnt, dass in Afrika der Klimawandel schon jetzt schwerwiegende Folgen habe.

Veränderte Niederschlagsverteilung, steigende Temperaturen und verstärkt auftretende Wetterextreme führten zur wachsender Unsicherheit bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Armut und Migration und verstärken damit noch die negativen Folgen der Corona-Pandemie.

Derweil hält im Süden Madagaskars die schwere Hungerkrise weiter an. Mehr als eine Million Menschen haben dort nicht genug zu essen, berichten die Vereinten Nationen. Seit mehreren Jahren regne es zu wenig. Einige Regionen hätten seit drei Jahren keine richtige Regenzeit gehabt. Dadurch fehlt es den Kleinbauern an Ernte und damit an Einkommen. Viele haben zu wenig Reserven, um sich ausreichend Lebensmittel zu kaufen.

Auch in Asien richten die Auswirkungen des Klimawandels inzwischen viel Unheil an, wie ein am gestrigen Dienstag veröffentlichter WMO-Bericht über den größten Kontinent herausstreicht. 2020 hätten Extremwetter und dort mehrere Tausend Menschen getötet, Millionen zum Verlassen ihrer Dörfer gezwungen und hunderte Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Schäden angerichtet.

Allein der tropische Wirbelsturm "Amphan" habe 2,4 Millionen Menschen in Indien und 2,5 Millionen in Bangladesch zu Obdachlosen und Flüchtlingen im eigenen Land gemacht. Der Sturm hatte im Mai 202 die Küsten des indischen Subkontinents heimgesucht und war einer der stärksten Stürme seiner Art gewesen, die je über dem Golf von Bengalen beobachtet worden waren.

Unwetter in den USA

Unter extremen Regengüssen leidet dieser Tage auch der US-Bundesstaat Kalifornien, der seit Jahren mit schweren Dürren und historischen Waldbränden zu kämpfen hat. Noch Mitte Oktober hatte der Sender CNN US-Wissenschaftler zitiert, die von der schlimmsten Trockenheit in der Geschichte des Staates sprachen.

Nun schreibt die Washington Post schreibt von einem "extremen und vermutlich historischem atmosphärischen Strömung", die große Mengen feuchter Luft vom Pazifik heranführt. Der Sender ABC spricht von einer "Sturm-Parade", die die US-Westküste von Kalifornien im Süden bis Washington an der kanadischen Grenze durchschüttele.

300.000 Haushalte seien zeitweise ohne Strom gewesen, weil das Unwetter Leitungen zerstört hatte. Die schweren Niederschläge hätten Erdrutsche verursacht und mancherorts neue Rekorde aufgestellt. In den Höhen der Sierra Nevada seien sie als Schnee gefallen.

In der Bucht von San Franzisko sei es zu Überschwemmungen gekommen. Dort, wo zuvor in den Tälern und Hängen der Wald verbrannt ist, ist der Boden besonders ungeschützt, sodass nun Lawinen aus Schlamm und verkohlten Baumstämmen drohen.

Streit bei Fridays for Future

20.000 Menschen waren nach Angaben der Veranstalter am vergangenen Freitag zu einer bundesweiten Demonstration der Jugend-Klimaschutzbewegung Fridays for Future nach Berlin gekommen. Dabei war auch ein großer explizit antikapitalistischer Block.

Nicht allen hat das gefallen. Nach Darstellung von Teilnehmern aus Frankfurt/Main wurden die linken Jugendlichen von Ordnern bedrängt. Auch die Polizei hat offensichtlich versucht, wie andere Teilnehmer berichten, den Block von der Demonstration abzudrängen. Videos zeigen massives Vorgehen der Polizei gegen die Jugendlichen.

Im Anschluss gab es einigen Zoff zwischen und innerhalb der Ortsgruppen, weil der radikalere Teil der Bewegung sich an den Rand gedrängt fühlt und befürchtet, die Bewegung solle zu einer Art grünem Jugendverband gemacht werden.

Tatsächlich sitzen ja einige ihrer ehemaligen Sprecher inzwischen auf einem grünen Ticket im Bundestag. Man darf gespannt sein, ob diese das sich abzeichnende Regierungsprogramm aus Verlängerung der Regelarbeitszeit, Einsparung bei den Verwaltungen - unter dem Vorwand des Bürokratieabbau -, Aufrüstung, Bau neuer Gaskraftwerke sowie mangelhaftem Klimaschutz mittragen und welche Auswirkungen das auf Fridays for Future haben wird.