Windows 11: Erste Messergebnisse

Mit einem neuen Windows stellen sich die üblichen Fragen: Ist es schneller als der Vorgänger? Läuft alte Hard- und Software weiter? Wir liefern erste Antworten.

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(Bild: Gerd Altmann bei Pixabay)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Axel Vahldiek
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Die wohl prominentesten Neuerungen von Windows 11 sind ausnahmsweise mal keine Änderungen an der Bedienoberfläche oder neue Funktionen, sondern die massiv gestiegenen Hardware-Anforderungen. Doch bedeutet das, dass Windows 11 langsamer ist? Oder läuft nicht mehr alles? Um das herauszufinden, haben wir Windows 10 und 11 gegeneinander antreten lassen.

Große Erwartungen hatten wir während der Vorbereitungen zugegebenermaßen nicht, denn in der Vergangenheit waren solche Vergleiche meist eher langweilig. Seit Windows Vista gehen die Geschwindigkeitsunterschiede im statistischen Rauschen unter. Daran änderte nichts, dass die gefühlte Geschwindigkeit von Windows Vista vor allem vor Veröffentlichung von Service Pack 2 bemerkenswert mies war und dass sich Windows 8 mangels Startknopf und dank Startseite statt -menü für viele unbedienbar anfühlte. Solche Feinheiten erfassen die Messprogramme nicht, auch wenn sie so manchen Menschen in den Wahnsinn treiben.

Nur eines hatte sich seit Windows 8 tatsächlich nicht nur spürbar, sondern auch messbar geändert: Windows bootet dank eines Tricks deutlich schneller. Bei einem Klick auf "Herunterfahren" beendet Windows zwar alle laufenden Anwendungen, legt sich selbst aber bloß schlafen (Ruhezustand, S4). Das Aufwachen daraus klappt viel schneller als das Hochfahren.

Auch unsere Kompatibilitätstests endeten früher eher öde: Abgesehen von erwartbaren Ausnahmen (systemnah laufende Software wie Virenscanner) lief halt alles auch unter dem Neuling.

Doch wie sieht es nun bei Windows 11 aus? Die gestiegenen Hardwareanforderungen begründet Microsoft vor allem mit verbesserten Sicherheitsmaßnahmen. Windows 11 verlangt anders als die Vorgänger standardmäßig nach einem "kompatiblen" Prozessor, UEFI Secure Boot und TPM 2.0. Nötig ist das alles unter anderem für die "Virtualisierungsbasierte Sicherheit" (VBS, auch Virtualization-based Security). Die Details sind kompliziert, aber letztlich richtet VBS virtuelle Enklaven im Arbeitsspeicher ein, die vom restlichen System abgeschottet sind. Das soll die darin liegenden Daten vor Angriffen schützen, etwa Zertifikate und Passwort-Hashes. Ob VBS aktiv ist, können Sie mit dem Windows-eigenen Programm "Systeminformation" (msinfo32.exe) prüfen: Gleich auf der ersten Seite steht es relativ weit unten in der Zeile "Virtualisierungsbasierte Sicherheit". Falls nicht, können Sie es aktivieren, wobei uns als zuverlässiger Weg bislang nur einer via Registry bekannt ist: Erzeugen Sie unter HKLM\SYSTEM\CurrentControlSet\Control\DeviceGuard ein DWORD namens EnableVirtualizationBasedSecurity mit dem Wert 1 und starten Sie Windows neu.

Zu VBS zählt auch "Hypervisor-Protected Code Integrity (HVCI)", womit sich sicherheitskritischer Code schützen lässt. Das soll künftig beispielsweise Banking-Apps besser sichern und den Einsatz von Cheats bei Online-Spielen verhindern. Auch hierzu verrät msinfo32.exe den Status, und zwar ebenfalls auf der ersten Seite in den Zeilen "Virtualisierungsbasierte Sicherheit – konfigurierte Dienste" und "Virtualisierungsbasierte Sicherheit – ausgeführte Dienste". Steht dahinter nichts, ist HVCI inaktiv. Das Aktivieren gelingt per Mausklick: Starten Sie die App "Windows-Sicherheit" und klicken Sie unter "Gerätesicherheit/Kernisolierung" auf den Link "Details zu Kernisolierung". Schieben Sie den Schalter auf "Ein". Sofern alle Treiber mitspielen, verlangt Windows einen Neustart, danach ist HCVI aktiv.

Wirklich neu sind diese Sicherheitsfunktionen allerdings nicht, denn sie stecken auch schon in Windows 10. Der Unterschied liegt woanders: Windows 11 versucht sowohl VBS als auch HVCI standardmäßig zu aktivieren. Allerdings nicht auf jeder vorgeblich Windows-11-kompatiblen Hardware. Microsoft nennt unter anderem eine kompatible CPU sowie HVCI-kompatible Treiber als Voraussetzung.

Für die meisten Messungen für diesen Artikel nutzten wir einen Testrechner mit einem Intel Core i3-8100, 8 GByte DDR4-2133-RAM und einer 256 GByte großen Samsung-SSD vom Typ "850 Pro SATA". Der Prozessor erfüllt die Hardwareanforderungen an Windows 11, jedoch absichtlich nur gerade so. Denn je langsamer ein Testrechner ist, umso eher fallen Messunterschiede auf.

Die Entscheidung für einen Intel-Prozessor fiel, weil AMD-Prozessoren unter Windows 11 bei Redaktionsschluss Probleme bereiteten: Der L3-Cache ist teilweise dramatisch langsamer als unter Windows 10. Zwar haben Microsoft und AMD kurz vor Redaktionsschluss erste Patches und neue Chipsatztreiber veröffentlicht, doch konnten die bei unseren Tests die Symptome zwar lindern, aber noch nicht beseitigen. Weitere Patches dürften folgen.

Für unsere Messungen verwenden wir die Benchmark-Suite "Bapco Sysmark 25". Sie bringt diverse Retail-Versionen bekannter und verbreiteter Anwendungen mit und misst, wie lange typische Arbeitsabläufe damit dauern. Zu den Anwendungen gehören von Adobe die Programme Acrobat Pro, Lightroom Classic, Photoshop und Premiere. Von Microsoft stecken Excel, Outlook, PowerPoint und Word jeweils als Version 2019 drin. Hinzu kommen der Audioeditor Audacity, die Skriptsprache AutoIt, das Kompressionsprogramm WinZip 24.0 Enterprise von Corel und Googles Chrome-Browser 81.0.

Die Ergebnisse drückt Bapco Sysmark mit Punkten aus, und zwar in verschiedenen Kategorien: Produktivität ("Productivity"), Kreativität ("Creativity") und Reaktionsgeschwindigkeit ("Responsiveness"), zudem gibt es einen Gesamtwert (Overall Rating).

Betriebsart Windows 10 Version 21H1 Windows 11 Version 21H2
UEFI ohne VBS/HCVI (4 Kerne) 1031 (1061/1082/817)¹ 986 (1017/1043/760)¹
UEFI ohne VBS/HCVI (2 Kerne) 814 (883/791/696)¹ 779 (850/763/636)¹
Legacy (4 Kerne) 1030 (1058/1086/813)¹ 988 (1026/1040/755)¹
UEFI mit VBS (4 Kerne) 998 (1018/1060/782)¹ 962 (989/1024/731)¹
UEFI mit VBS und HVCI (4 Kerne) 997 (1020/1056/781)¹ 954 (974/1019/737)¹
¹Bapco-Punkte: Overall Rating (Productivity/Creativity/Responsiveness)

Getestet haben wir Windows 10 und 11 jeweils mit aktivem und inaktivem VBS sowie mit aktivem VBS und HVCI. Damit wollten wir verhindern, dass wir Windows 11 womöglich als langsamer einschätzen, nur weil eine Sicherheitsfunktion aktiv ist, die unter Windows 10 deaktiviert ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Sicherheitsfunktionen zwar tatsächlich bremsen, aber erwartungsgemäß beide Systeme gleichermaßen. Nicht erwartet hatten wir, dass Windows 11 bei gleichen Sicherheitseinstellungen langsamer läuft: Windows 11 kommt nur auf gut 95 Prozent der Leistung von Windows 10. Ebenfalls auffallend: Aktives HVCI bremst Windows 10 kein bisschen, Windows 11 hingegen schon, wenn auch nur sehr wenig – eine Erklärung dafür haben wir bislang nicht. Die Anzahl der Kerne scheint keinen Einfluss zu haben. Testläufe mit derselben CPU, der wir zwei Kerne von Hand abschalteten, zeigten dieselben Unterschiede zwischen Windows 10 und 11.

Aktive Sicherheitsfunktionen bremsen Windows 11 zwar, das gilt für Windows 10 aber genauso. Doch bei identischen Einstellungen ist Windows 11 trotzdem nicht so schnell wie sein Vorgänger.

Für eine Kontrollmessung haben wir beide Windows-Versionen auf demselben Rechner noch einmal so installiert, dass sie nicht per UEFI, sondern klassisch per Legacy BIOS starten. Die Messergebnisse entsprechen jenen bei den UEFI-Installationen ohne VBS und HVCI. Auch hier war Windows 11 also etwas langsamer.

Zur Einordnung: Der Geschwindigkeitsnachteil von Windows 11 ist zwar sehr wohl mess-, aber in der Praxis quasi nie spürbar. Dennoch ist es das erste Mal seit Langem, dass überhaupt ein Tempo-Unterschied zu finden ist, und das auch noch in die "falsche" Richtung.