Postfaschistin? Hauptsache, sie ist prowestlich

US-Außenminister Blinken ist zuversichtlich, was Italiens designierte Regierungschefin angeht. Foto: U.S. Department of State / CC0 1.0

Es mag schwer sein, die italienische Wahlsiegerin Giorgia Meloni als Musterdemokratin zu framen. Aber rein geopolitisch gehört sie aus westlicher Sicht zu den Guten. An ihrer Seite stehen jedoch unsichere Kantonisten.

Ist Giorgia Meloni eine gefährliche Postfaschistin, die immer noch den Geist des "Duce" Benito Mussolini atmet, wie die lodernde Flamme in den Nationalfarben samt stilisiertem Sarg im Parteilogo ihrer "Fratelli d’Italia" andeutet? Kann der "Wertewesten" sich in wesentlichen geopolitischen Fragen auf sie verlassen – und muss zwischen diesen beiden Fragen ein "und" oder ein "oder" stehen?

Eine der ersten Reaktionen aus Washington auf den Wahlsieg von Melonis Rechtsblock lässt tief blicken: "Wir sind erpicht darauf, mit der italienischen Regierung bei unseren gemeinsamen Zielen zusammenzuarbeiten: eine freie und unabhängige Ukraine zu unterstützen, die Menschenrechte zu respektieren und eine nachhaltige wirtschaftliche Zukunft aufzubauen", twittererte US-Außenminister Antony Blinken am Montag.

Italien ist ein äußerst wichtiger Verbündeter, eine starke Demokratie und ein geschätzter Partner.


US-Außenminister Antony Blinken

Auch Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies, der am Montagabend im ARD-Brennpunkt als Experte zu Wort kam, sieht Melonis Wahlsieg entspannt:

"Sie hat ja ganz dezidiert erklärt, dass sie weiter bei der westlichen Ausrichtung bleiben möchte, dass sie zur EU steht, dass sie an den Sanktionen auch festhalten möchte", betonte Gros mit Blick auf den Wirtschaftskrieg mit Russland.

"Deswegen kann man mit solchen Regierungen schon arbeiten"

Mit Blick auf den Umgang der Rechten mit der Energiekrise befand er: "Wenn man jetzt mal genauer hinsieht, haben wir zum Glück in der jetzigen Welle weniger von diesen Populisten, die nur das Problem benutzen wollen, um Stimmen zu bekommen, und das Problem nicht lösen wollen. Ich glaube, die etwas neueren Populisten in Italien und Schweden zum Beispiel sind durchaus auch daran interessiert, Probleme zu lösen – und deswegen kann man mit solchen Regierungen schon arbeiten."

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte kurz vor der Wahl erklärt: "Wenn die Dinge in eine schwierige Richtung gehen – ich hatte schon über Ungarn und Polen geredet – dann haben wir Werkzeuge". Gemeint waren wohl Vertragsverletzungsverfahren und Klagen, wie sie die Kommission gegen Ungarn und Polen nach deren Verstößen gegen EU-Vorgaben angestrengt hatte.

Neben den Fratelli d’Italia sind die rechtspopulistische Lega und die Forza Italia in dem siegreichen Rechtsbündnis vertreten. Als problematisch gilt der von Meloni angeführte Block selbst in Teilen der deutschen Unionsparteien – nicht zuletzt, weil auf diesem Ticket auch Italiens ehemaliger Regierungschef Silvio Berlusconi wieder ins Parlament einzog. Berlusconis Forza Italia gilt als vergleichsweise russlandfreundlich – und der knapp 86-Jährige selbst befand neulich noch, Russlands Präsident Wladimir Putin sei zu der "Spezialoperation" in der Ukraine gedrängt worden.

CSU-Chef Söder hält eine "Brandmauer" nach rechts für nötig

CSU-Chef Markus Söder hält zur Abgrenzung vor allem von Berlusconi eine "Brandmauer" nach rechts für nötig. So rügte der bayerische Ministerpräsident auch öffentlich seinen Vize-Parteichef Manfred Weber für dessen Nähe zu Berlusconi. Weber sah nämlich als Fraktionschef der konservativen EVP im Europaparlament bisher kein Problem in seiner Unterstützung des italienischen Fraktionskollegen.

Am italienischen Beispiel zeigt sich auch wieder einmal, dass Europas Rechte und Ultrarechte in der Russland-Ukraine-Frage gespalten sind. Identifikationsmöglichkeiten gibt es für weiße Nationalisten auf beiden Seiten. Selbst neofaschistische Splitterparteien in Deutschland konnten sich diesbezüglich bisher nicht einigen. Während sich die NPD prorussisch positioniert, warb der "III. Weg" für die Unterstützung der Ukraine und spendete in bescheidenem Umfang sogar Material an "kämpfende Nationalisten".

Sowohl in der auf russischer Seite kämpfenden Söldnertruppe "Wagner" als auch im ukrainischen Asow-Bataillon sind Neonazis vertreten, während auch beide Staaten behaupten, gegen den Faschismus zu kämpfen. Die im Bundestag vertretene "Alternative für Deutschland" jedenfalls positioniert sich zwar gegen die Russland-Sanktionen, freut sich aber dennoch über den Wahlsieg des von der prowestlichen Meloni angeführten Blocks.