Nahost-Konflikt: Schwierigste Phase seit Jahrzehnten

Übergang bei Mash-ha; Archivbild (2004): Justin McIntosh/CC BY 2.0

Mit einer ultra-rechten Regierung in Israel und einer alternden Führung in Palästina droht der Region nach mehreren schweren Konfrontationen die Eskalation.

Gestern Nacht flog die israelische Luftwaffe Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen. Der Schlag gegen "Raketen- und Waffenproduktionsstätten der radikal-islamischen Hamas" ist laut israelischen Militärs eine Reaktion auf eine zuvor aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete.

Der Nahost-Konflikt ist wieder zurück in den Schlagzeilen. Mit neuen Härten, Beobachter sprechen von der schwierigsten Phase des Konflikts seit langem.

Am vergangenen Wochenende, kurz nach Beginn des Schabbats, eröffnete ein 21-jähriger Palästinenser das Feuer auf die jüdischen Gläubigen, die auf dem Weg in die Synagoge waren; am Ende waren acht Menschen, darunter der Attentäter, tot.

Der schwerste Anschlag auf Israelis seit mehreren Jahren traf Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete in einer Zeit des Aufruhrs: Im Westjordanland herrscht der alternde Präsident Mahmud Abbas nach wie vor und mit nun nahezu keiner Unterstützung der Bevölkerung. Im Gazastreifen versucht die Hamas sich irgendwie gegen den Widerstand von erstarkenden Gruppen wie dem Islamischen Dschihad an der Macht zu halten.

In Israel ist nun eine ultrarechte Koalition aus rechten, rechtsextremen und religiösen Parteien unter Führung des Langzeit-Regierungschefs Benjamin Netanjahu an der Macht und hat sich vorgenommen, den Einfluss der Rechten auf Justiz, Bildungssystem und Sicherheitsapparat durchzusetzen.

Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt weit weg

Nie zuvor seit den 1990er-Jahren schien eine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt weiter weg, als jetzt. Selten zuvor war die Gefahr einer umfassenden Eskalation größer.

Nach dem Anschlag vom vergangenen Wochenende bekannte sich keine der bekannten gewaltbereiten palästinensischen Gruppen zu der Tat; vieles deutet darauf hin, dass der 21-Jährige allein und ohne Unterstützung von Hamas und Islamischem Dschihad gehandelt hat.

Neu ist auch, dass eine religiöse Einrichtung an einem Feiertag angegriffen wurde. So etwas kommt nur selten vor; wenn es passierte, war die Kritik in der palästinensischen Öffentlichkeit groß. Nun wurde diese "rote Linie" überschritten, und die Kritik blieb aus.

Und auch die palästinensische Regierung reagierte eher halbherzig: Freudenfeiern ließ man durch die eigene Polizei zerstreuen; verurteilen will man den Angriff auf eine Synagoge aber auch nicht.

Kurz zuvor waren bei einem israelischen Militäreinsatz in Dschenin zehn Palästinenser getötet worden. Der Einsatz sei, so das Militär, erforderlich gewesen, um einen Terroranschlag zu verhindern. Ob beide Ereignisse in einem Zusammenhang stehen, ist unklar.

Hohe Waffendichte als Problem

Der israelische Inlandsgeheimdienst warnt derweil, dass nun eine Welle von durch Einzeltäter ausgeführten Anschlägen drohen könnte. In Hintergrundgesprächen weist man auf die hohe Zahl von Waffen hin, die sich in palästinensischem Privatbesitz befinden, und auch Funktionäre der palästinensischen Polizei bezeichnen die hohe Waffendichte als Problem.

Anfang der Nullerjahre hatten sich im Umfeld der Fatah-Fraktion des heutigen Präsidenten Mahmud Abbas nach dem Vorbild des militärischen Arms der Hamas die al-Aksa-Brigaden gebildet, die in großem Stil Waffen erwarben. Doch die al-Aksa-Brigaden blieben immer nur ein loses Netzwerk von ansonsten autonomen Gruppen, die sich heute weitgehend aufgelöst haben, auch wenn ihre Symbole immer mal wieder in der Öffentlichkeit zu sehen sind.

Der eine Faktor, der diese Gruppen geeint hatte, hat heute keine Strahlkraft mehr: die Ideologie der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und deren größer Fraktion, der Fatah. Zu lange, zu erfolglos ist Abbas an der Macht; zu lange regiert er im stillen Kämmerlein, immer autokratischer und oft auch unter Missachtung der palästinensischen Verfassung und der Regularien der PLO.

Ihren Platz nahm zunächst die radikalere Ideologie der Hamas und heute, zunehmend, des noch radikaleren Islamischen Dschihad. Mit dem Unterschied, dass diese Ideologie leicht über soziale Netzwerke verfügbar ist, während beide Gruppen kaum organisatorische Strukturen und damit Einfluss auf potenzielle Attentäter haben.

Eine brandgefährliche Situation, da sind sich beide Seiten einig, wobei bei den palästinensischen Sicherheitskräften auch hinzu kommt: Man befürchtet nicht nur, sondern ist sich ziemlich sicher, dass sich die Wut auch gegen die Strukturen und Funktionäre der aktuellen palästinensischen Regierung richten könnte.

Verschärft wird die Lage durch die Rechtsextremen in der israelischen Regierung.