Human Rights Watch: Kiew soll verbotene Landminen eingesetzt haben

Abwurfbox für Blattminen. Bild: MoserB, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Während der russischen Besatzung sollen ukrainische Truppen im Stadtgebiet von Isyum Blattminen verstreut haben. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine Untersuchung der Vorfälle.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die Ukraine am Dienstag aufgefordert, Vorwürfe über den Einsatz verbotener Landminen zu untersuchen. Hintergrund sind Berichte, wonach das ukrainische Militär Tausende Antipersonenminen in und um die östliche Stadt Isyum gelegt haben soll, als russische Truppen das Gebiet besetzten.

HRW dokumentierte zahlreiche Fälle, in denen Raketen mit Antipersonenminen, auch "Schmetterlingsminen" oder "Blattminen" genannt, auf die von Russland besetzten Gebiete abgefeuert wurden.

"Die ukrainischen Streitkräfte haben in der Gegend um Isyum offenbar in großem Umfang Landminen verstreut, die Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern und eine ständige Gefahr für die Menschen darstellen", sagte Steve Goose, Direktor der Waffenabteilung von Human Rights Watch.

In dem Bericht weist HRW darauf hin, dass auch die russischen Streitkräfte in mehreren Gebieten der Ukraine Antipersonenminen eingesetzt haben. Die Organisation hat den Einsatz durch die russische Seite im vergangenen Jahr in drei Berichten dokumentiert.

"Die russischen Streitkräfte haben wiederholt Antipersonenminen eingesetzt und im ganzen Land Gräueltaten begangen", sagte Goose und betonte: "Das rechtfertigt jedoch nicht den ukrainischen Einsatz dieser verbotenen Waffen."

Im Gegensatz zu anderen Arten von Antipersonenminen funktionieren die in Isyum verwendeten Minen nur, wenn sie von Flugzeugen, Raketen, Artillerie oder Spezialfahrzeugen gestreut werden. Ihr Einsatz verstößt zudem gegen das humanitäre Völkerrecht, da sie nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden können.

HRW widerspricht damit der Darstellung der ukrainischen Regierung. Im November 2022 hatte der stellvertretende Verteidigungsminister der Ukraine, Oleksandr Polishchuk, auf einen Brief von HRW geantwortet:

[D]ie ukrainischen Streitkräfte haben sich im Verlauf des Krieges strikt an die Normen des humanitären Völkerrechts und die Bestimmungen der internationalen Konventionen, denen die Ukraine beigetreten ist, gehalten. Dazu gehören unter anderem das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung... (nachstehend Ottawa-Übereinkommen) sowie das Übereinkommen über bestimmte konventionelle Waffen, die als übermäßig verletzend gelten oder deren Wirkung unterschiedslos ist.

Man halte sich auch beim Einsatz von Minen uneingeschränkt an die internationalen Verpflichtungen. Aber zu den Waffentypen, die während des Konflikts eingesetzt wurden, könne man sich nicht äußern, bevor "der Krieg beendet und unsere Souveränität und territoriale Integrität wiederhergestellt ist".

Human Rights Watch hat nach eigenen Angaben vom 19. September bis 9. Oktober im Bezirk Isyum recherchiert und mehr als 100 Personen befragt. Darunter waren Zeugen des Einsatzes von Landminen, Opfer, Ersthelfer, Ärzte und ukrainische Minenräumer. Alle gaben an, Minen auf dem Boden gesehen zu haben oder jemanden zu kennen, der durch eine Mine verletzt wurde.

HRW hat keinen Zweifel daran, dass in Isyum und der umliegenden Region Minen eingesetzt wurden. Man habe physische Beweise sichergestellt: nicht explodierte Minen, Minenreste und die Metallkassetten, die die Minen in Raketen tragen.

Raketenteile hätten so im Boden gelegen oder Gebäude getroffen, dass die Raketen nur aus der Richtung gekommen sein können, in der die ukrainische Armee ihre Stellungen hatte.

Bis Oktober wurden etwa 50 zivile Opfer des Einsatzes dieser Minen registriert, darunter fünf Kinder. Einige Menschen starben, vielen mussten Gliedmaßen amputiert werden.

HRW dokumentiert in dem Bericht mehrere Vorfälle. Sie ereigneten sich im Stadtgebiet, in der Nähe eines Kindergartens, einer Schule, des Zentralkrankenhauses, in Wohngebieten oder in Gärten.

Angesichts der Befunde fordert HRW die Ukraine auf, sich an die strengen Vorgaben der Minenverbotskonvention zu halten. Die Regierung in Kiew solle eine Untersuchung einleiten, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und die gelagerten Minenbestände vernichten.

Außerdem sollten Anstrengungen unternommen werden, um die Opfer zu identifizieren und ihnen zu helfen, z. B. durch angemessene und rechtzeitige Entschädigung, medizinische Versorgung und andere Unterstützung.

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