Sanktionen gegen Russland: Handel mit Öl geht weiter, wird aber weniger sicher

Bild: Gerhard Traschütz auf Pixabay

Westliche Firmen scheiden zunehmend aus dem Handel mit russischen Rohöl aus – andere übernehmen dafür. Während Russland weiterhin Einnahmen erzielt, werden Öltransporte gefährlicher.

Knapp zwei Monate nachdem die westlichen Staaten einen Preisdeckel auf russisches Rohöl festgelegt hatten, zeigt sich: Russland exportiert es weiterhin. Der Unterschied ist die Art, wie das Erdöl auf den Markt gebracht wird.

Die einst dominierenden Firmen mit Sitz in den westlichen Staaten haben sich weitgehend zurückgezogen. An ihre Stelle sind andere getreten, die ihren Sitz nicht mehr in Genf, sondern in Hongkong oder Dubai haben, heißt es bei The Economist.

Seit Inkrafttreten der Preisobergrenze seien mehr als 60 Prozent des russischen Rohöls von Tankern verschifft worden, die von Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Hongkong, China, Indien und Russland kontrolliert würden, heißt es im Wall Street Journal dazu.

Nur noch 29 Prozent der Schiffe stünden unter europäischer Kontrolle, hauptsächlich von Firmen in Griechenland und der Türkei.

Aber auch der "Schwarzhandel" blüht. Abwrackreife Tanker, die bis zu 50 Jahre alt seien, würden mit abgeschalteten Transpondern zu geheimen Kunden fahren. Sie würden umbenannt und neu gestrichen, manchmal mehrmals pro Fahrt. Teilweise würden sie auf offener See die Ladung russischer Schiffe übernehmen und mit anderem Öl vermischen.

Laut The Economist stehen Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate im Verdacht, so zu agieren. Beide Länder hätten im letzten Jahr mehr russisches Öl importiert als in den drei Jahren zuvor. Bei ihnen liege die Vermutung nahe, dass sie einen Teil des Öls gemischt und dann nach Europa verkauft haben.

Dieser Teil des Handels nehme zu; aber noch laufe der Handel zum größten Teil über "graue" Netze. Damit ist der Handel gemeint, der weder westliche Logistik noch Dienstleistungen in Anspruch nimmt und deshalb außerhalb des Sanktionsregimes abläuft.

Inzwischen soll Russland eine Tankerflotte von etwa 360 Schiffen nutzen können, um die Preisobergrenze zu umgehen. Den Berichten zufolge sind das 16 Prozent des weltweiten Tankerbestands. Selbst wenn alle westlichen Schiffe den Transport russischen Erdöls verweigern würden, könnten die Exporte auf dem aktuellen Stand gehalten werden.

Auch für die notwendigen Dienstleistungen wurde Ersatz gefunden. Für den Handel notwendige Kredite werden nicht mehr von westlichen Banken vergeben, sondern vom russischen Staat. Auch Banken aus arabischen Ländern sollen inzwischen bereit sein, die Geschäfte zu stützen.

Fracht- und Schiffsversicherungen werden inzwischen ebenfalls nicht mehr von westlichen Unternehmen vergeben. Wer hinter den neuen Versicherern steht, ist nicht klar. The Economist vermutet, dass der russische Staat die Öltransporte auch versichert. Außerdem hätten vermutlich die Häfen in einigen Ländern die notwendigen Deckungssummen für ankommende Tanker gesenkt, um Russland entgegenzukommen.

Dass aber immer noch fast ein Drittel der Tanker unter europäischer Kontrolle steht, spricht dafür, dass russisches Rohöl unterhalb der Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel gehandelt wird.

Dies könnte sich mit wachsender Nachfrage etwa in China ändern. Viele Analysten gingen davon aus, heißt es bei The Economist, dass der Ölpreis anziehen könnte, wenn die Wirtschaft in China wieder an Fahrt gewinnt. Hinzu kämen noch schwache Investitionen in neue Ölverkommen.

Deshalb könnte der Preis für die Sorte Brent in der zweiten Hälfte 2023 wieder auf 100 US-Dollar je Barrel ansteigen. Russisches Rohöl dürfte dann auch über die festgelegte Preisgrenze ansteigen, sodass westliche Unternehmen komplett aus dem Handel aussteigen müssten.

Der "graue" Markt könnte dadurch wachsen, was im Interesse von Russland und allen anderen Ländern sein dürfte, die kein Interesse daran haben, dass die westliche Staaten Energie, Kredite und Dienstleistungen als Waffe im Kampf gegen unliebsame Regierungen einsetzen.

Eine andere Folge wäre: Öltransporte würden gefährlicher. Denn wenn Tanker einen Unfall verursachen, sind die Versicherer vielleicht nicht bereit oder in der Lage, den Schaden zu decken.

Und so bleibt mit den Worten aus The Economist zu schließen: "Die Verbündeten der Ukraine haben gute Gründe dafür, dass sie ihre Hände von russischem Öl lassen wollen. Das wird aber nicht verhindern, dass Trümmer von nahe gelegenen Wracks an ihre Küsten schwimmen."

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