Neuer Sprecher von Pistorius: Den Schaden trägt die ARD

Stempfle, noch bei der ARD. Bild: Screenshot tagesschau.de

Mitarbeiter im ARD-Hauptstadtstudio wird nach Lobeshymne neuer Sprecher des SPD-Verteidigungsministers. Die ARD will damit transparent umgegangen sein. Sender geht einer zentralen Frage aber aus dem Weg.

Nach dem umstrittenen Wechsel des ehemaligen ARD-Korrespondenten Michael Stempfle in die Leitung des Pressestabs des Bundesministeriums der Verteidigung, weicht der öffentlich-rechtlichen Sender einer Debatte über den Fall weitgehend aus. Ein redaktioneller Zusatz unter einem kontrovers diskutierten Artikel über Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), den Stempfle nur wenige Tage vor seinem Wechsel auf tagesschau.de veröffentlicht hatte, wirft weitere Frage auf: Wie steht es um Kritikbereitschaft und Transparenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Telepolis ist der Sache nachgegangen.

Pistorius hatte sich Stempfle Ende Januar als neuen Leiter des Pressestabs ins Haus geholt. Der langjährige Mitarbeiter im ARD-Hauptstadtstudio ersetzt den ehemaligen ARD-Journalisten Christian Thiels, der als Vertreter von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) tätig war.

Für Debatten hatte der Fall vor allem gesorgt, weil Stempfle wenige Tage vor seinem bis dahin offenbar unter Verschluss gehalten Wechsel – beziehungsweise der mutmaßlich laufenden Vertragsgespräche – einen Lobartikel über seinen künftigen obersten Dienstherren veröffentlicht hatte.

In dem als "Analyse" bezeichneten Beitrag für die Onlinepräsenz der Tagesschau würdigte er Pistorius als "Vollblutpolitiker, der anpackt", "mit einem sicheren Gespür für Themen und für pragmatische Lösungen". Kritik an dem Sozialdemokraten suchte man in dem Text vergebens, obwohl etwa ein Skandal um vertuschte Kommunikation bei der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge leicht recherchierbar gewesen wäre.

Seither steht der Vorwurf im Raum, Stempfle habe die Lobeshymne bereits mit Blick auf seine neue Anstellung geschrieben, sich dafür aber noch von Gebühren finanzieren lassen.

Die verantwortlichen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gehen diesem Kernvorwurf, seither konsequent aus dem Weg. Die Redaktion von ARD-Aktuell mit Sitz in Hamburg hat den Artikel zwar mit einem redaktionellen Zusatz versehen. Dieser wirft aber mehr Fragen auf, als er beantwortet:

Michael Stempfle war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes (17. Januar 2023) Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio. Seit dem 23. Januar 2023 ist bekannt, dass er als Sprecher in das Verteidigungsministerium wechselt.

Dieser Zusatz ist sachlich korrekt, klärt aber nicht die Frage auf, ob Stempfle zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines umstrittenen Artikels bereits von seiner neuen Anstellung wusste. Und eben, wie die ARD damit umgeht.