Die Bundesregierung und der Mensch als "Arbeitspotenzial"

Eine Initiative soll für Fachkräfte sorgen. Sie sagt viel über den Kapitalismus und das Menschenbild aus. Und sie hilft, den globalen Arbeitsmarkt zu verstehen. (Teil 2 und Schluss)

Zeitgemäße Ausbildung und gezielte Weiterbildung – die beiden Erfordernisse stellt die neue Regierungsstrategie "Fachkräfteland Deutschland" heraus, was Thema des ersten Teils dieses Kommentars war. Der Sache nach geht es hier um eine Betreuung des Arbeitsmarkts, die dem Anspruchsdenken der Kapitalseite mit äußerstem Respekt begegnet, so die bisherige Analyse.

Was alles noch dazugehört, soll im Folgenden erörtert werden.

Handlungsfeld 3: "Arbeitspotenziale und Erwerbstätigkeit erhöhen"

Mit der Bezeichnung "Arbeitspotenziale" macht die Regierung klar, als was sie die Menschen im Lande betrachtet. Das ist schon eine bemerkenswerte Bestimmung: Sie sind Menschen, deren Arbeit ausgenutzt gehört, sie sind zum Arbeiten da.

"Erwerbstätigkeit erhöhen" ist ebenso eine seltsame Zielsetzung, schließlich wird damit ausgedrückt, dass die Menschen im Lande mehr für ihren Lebensunterhalt arbeiten sollen – was das Leben natürlich nicht angenehmer macht.

Aber auch so kann man das Grundprinzip des Kapitalismus thematisieren, dass die Menschen nicht arbeiten, um zu leben, sondern leben, um zu arbeiten. Das Ganze soll jedoch als eine einzige Dienstleistung an diejenigen verstanden werden, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und dies bislang nicht konnten, stattdessen auf Sozialleistungen angewiesen waren:

Um die Erwerbsbeteiligung in Deutschland weiter zu erhöhen, bedarf es unter anderem verbesserter Rahmenbedingungen. Wir gehen diese an – bspw. mit dem Mindestlohn, der Brückenteilzeit oder dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes.

BMAS 1

Wenn die Erhöhung des Mindestlohns als Beispiel für die Steigerung der Erwerbstätigkeit angeführt wird, dann unterstellt das Arbeitsministerium, dass viele Menschen nicht oder nur wenig arbeiten, weil sie eingesehen hätten, dass sich für sie das Arbeiten nicht lohnt. Ganz so, als ob ein Leben vom Bürgergeld, das die Existenz nicht sichert und die Menschen zur Tafel treibt, eine Alternative wäre, für die sich viele entscheiden (siehe dazu: "Hartz IV geht, das Bürgergeld kommt – die Notlagen bleiben").

Wo die Regierung das größte Arbeitspotenzial sieht, macht sie schnell klar:

Durchschnittlich gehen rund 20 Prozent weniger Frauen als Männer einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach. Wir wollen bei den Ursachen ansetzen und schaffen Anreize und Rahmenbedingungen, um weiterhin die Lohnungleichheit von Frauen und Männern zu verringern, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern, und die Anerkennung von Sorgearbeit zu unterstützen. Den Anspruch auf eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit haben wir mit der Brückenteilzeit bereits gesetzlich verankert.

BMAS 3

In den Augen der Regierung arbeiten Frauen noch zu wenig. Damit ist nicht ihre Hausarbeit gemeint, sie vollbringen vielmehr zu wenig Arbeitsleistung für den Gewinn der deutschen Wirtschaft. Damit sie sich dafür entscheiden, möchte die Politik nachhelfen.

Dabei kommen ihr die ständigen Reallohnsenkungen zupass, die es immer schwieriger machen, von einem Einkommen den Unterhalt einer Familie zu bestreiten. Wenn von der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben die Rede ist, dann wird damit umschrieben, dass die Notwendigkeiten des Alltag mit der zusätzlichen Berufstätigkeit der Frauen nicht weniger werden. Das soll sie allerdings nicht daran hindern, mehr zu arbeiten.

Ein weiteres Potenzial sieht die Regierung bei den Menschen mit Behinderung:

Mit einer besseren Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt bietet sich den Unternehmen nicht nur ein Gewinn für die Arbeitskultur, sondern auch ein großes Potenzial für die Fachkräftesicherung.

BMAS 3

Eine bessere Integration dieser Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt entlastet zunächst einmal die Sozialkassen, von denen die meisten leben müssen, weil sie entweder nicht arbeiten können oder keinen Arbeitgeber finden, der ihre Beschäftigung als lohnend erachtet.

Dass ihre Beschäftigung ein "Gewinn für die Arbeitskultur" darstellen soll, überzeugt nur wenige Arbeitgeber und so ist die Integration von Menschen mit Behinderung abhängig davon, dass der Staat ihre Beschäftigung für das Unternehmen zu einem interessanten Kalkulationsfaktor macht.

So gibt es eine Beschäftigungspflicht für Unternehmen, Menschen mit Behinderung anteilsmäßig zur Größe der Belegschaft einzustellen. Im Gegensatz zu anderen staatlichen Pflichten können sich Unternehmen von dieser Pflicht mit einer Ausgleichsabgabe freikaufen. Darin sieht die Regierung einen Hebel, die Personengruppe besser in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren:

Zur Erreichung der Ziele ist im Wesentlichen Folgendes vorgesehen:

• Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen ("vierte Staffel"); für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten.

• Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,

• Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit…

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts

Dort, wo der (die Lohnkosten steigernde, weil mit einer Ausgleichsabgabe versehene) Verzicht auf Beschäftigung dieser Personen trotzdem stattfindet, der Anreiz zur Verbilligung also nicht wirkt, bleibt noch eine Alternative: Durch Lohnkostenzuschüsse kann man Arbeitgebern die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung lukrativ machen. Lohnen soll sich die Sache – heißt es – für beide Seiten.

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