Auge um Auge: Diplomatiekrieg zwischen Russland und Deutschland

Das Auswärtige Amt in Berlin reagiert auf Unvernunft mit gleicher Münze. Foto: Manfred Brückels / CC-BY-SA-2.0-DE

Antwort auf Massenausweisungen von Deutschen: Bundesregierung schließt in beiden Staaten die meisten Konsulate. Wer die Leidtragenden sind.

Die deutsche Antwort auf die Ende letzter Woche beschlossenen Massenausweisungen von Deutschen aus Russland ist da. Vier von fünf russischen Konsulaten in Deutschland und drei von vier deutschen Konsulaten in Russland werden geschlossen, meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass.

Die russische Seite kündigte inzwischen erneute Gegenmaßnahmen an und man fragt sich, wo diese ständige Abwärtsspirale letzten Endes hinführen soll.

Erstmals Vertreibung von Kulturmittlern und Lehrern

Ausgelöst wurde die aktuelle Eskalationsrunde zwischen Russland und Deutschland dieses Mal von der russischen Seite mit einer Ausweisungswelle von neuer Qualität. Anders als bei früheren, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine von Deutschland gestarteten Schlagabtauschen, kam es nicht nur zur Ausweisung von Diplomaten.

Russland legt Obergrenzen für deutsche Beschäftigte auch ganz anderer Bereiche fest, etwa der Deutschen Schule in Moskau oder dem Goethe-Institut, das vor allem Sprache und Kultur Deutschlands vermitteln will, aber auch Aufgaben bei der Zertifizierung von Sprachkenntnissen hat. Insgesamt werden auf dieser Basis nur etwa 350 Deutsche in Russland bleiben.

Dadurch müssen nun mehrere hundert deutsche Staatsbürger Russland zwangsweise verlassen. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zu vorherigen Maßnahmen. Sonst kam es im Zuge solcher Auseinandersetzungen sonst nur zur Ausreise von ein bis zwei Dutzend Personen, oft kombiniert mit dem Vorwurf der Spionage im anderen Land – die natürlich von beiden Seiten auch tatsächlich betrieben wird.

Angriffslustige Statements mit fehlenden Antworten

Anfang dieser Woche nach dem Grund der neuen Eskalationsstufe befragt, antwortete die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wie immer angriffslustig, aber in der Sache ausweichend. Sie verwies darauf, dass bei zurückliegenden "Ausweisungsrunden" von Diplomaten 2022 und 2023 Deutschland zuerst initiativ geworden war. Das habe man von deutscher Seite wohl vergessen. Deutschland sei es, das sich bewusst "für die Zerstörung der bilateralen Beziehungen" entschieden habe.

Den Frageteil, womit man den Abbau von deutschen Kulturmittlern oder Lehrern in Russland rechtfertige, ließ Sacharowa in ihrem Statement unberücksichtigt. Sie behauptete sogar, die russische Seite habe "von sich aus keinerlei Maßnahmen zum Abbau der deutsch-russischen Zusammenarbeit vorgenommen" – obwohl ihre Behörde genau das soeben ganz außerhalb der Politik getan hatte.

Ebenso wie das von Annalena Baerbock (Grüne) in Deutschland geführte Auswärtige Amt in Richtung Russland (Sanktionen, "egal, was meine Wähler denken"; "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland") ist das russische Außenministerium gegenüber Deutschland im Dauer-Angriffsmodus, der wirklich an kriegerische Zustände erinnert.

Deutsche Antwort vorhersehbar und radikal

Es war schnell klar, dass die gegenseitige Zuspitzung mit der russischen Ausweisungsaktion nicht enden würde. Noch am gleichen Tag zitierte die ARD-tagesschau in einem Bericht die grüne Außenpolitikerin Sara Nanni, die schon wieder ankündigte, "Gleiches mit Gleichem" zu beantworten, obwohl man sich in der Ampelkoalition gerade noch entsetzt ("einseitig, unvernünftig und unverständlich") über den russischen Angriff auf die unpolitische Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften gezeigt hatte.

So als ob die Welt gerechter würde, wenn man die Unvernunft anderer durch eigene Unvernunft ausgleicht.Gestern wurde dann die Katze aus dem Sack gelassen und die Betriebserlaubnis für vier von fünf russischen Konsulaten auf deutschem Boden vom Auswärtigen Amt zum Jahresende entzogen. Gleichzeitig werden auch die deutschen Konsulate in Russland bis auf Sankt Petersburg geschlossen – wahrscheinlich, um zu erwartenden Gegenmaßnahmen der russischen Regierung zuvorzukommen.

Dass das Auswärtige Amt mit Verkündung der Aktion erklärte, dass damit "diese Thematik abgeschlossen" sei, führt jedoch nicht zu einem wirklichen Ende der Abwärtspirale, denn nun fühlt sich wiederum Moskau zu weiteren Restriktionen animiert.

Leidtragend sind die, die noch Verbindungen haben

Völlig vergessen wird bei solchen Diplomatiekriegen von beiden Seiten, wer eigentlich die Leidtragenden solcher Maßnahmen sind. Das sind weder die Mächtigen im Kreml und ihr Umfeld, die schon lange keine konsularischen Dienstleistungen von deutscher Seite mehr in Anspruch nehmen und auch nicht die Politiker im sicheren Berlin.

Leidtragend sind zum einen mit Deutschland verbundene Russen, die etwa bisher beim Goethe-Institut ihre Sprachkenntnisse verbesserten oder sich auf notwendige Prüfungen vorbereiteten, die das Institut und die Konsulate durchführen, etwa für Sprachtests für Spätaussiedler oder Akademiker, die ein bestimmtes Sprachniveau nachweisen müssen.

Unter ihnen sind sehr viele, die den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ablehnen, ein wesentlich größerer Anteil als in der Gesamtbevölkerung. Leidtragend sind auch mit Russland verbundene Deutsche, die aus beruflichen Gründen oder wegen Verwandtschaft Verbindung in die Russische Föderation halten wollen oder müssen.

Konsulate sind keine Symbole, sondern wichtige Dienstleister

Konsulate sind Behörden, die für Bürger des Gastlandes und eigene dort lebende Staatsbürger zentrale Dienstleistungen erbringen. Sie werden in Anspruch genommen, wenn in Deutschland lebende Russen (oder in Russland lebende Deutsche) einen Pass brauchen, dort gestrandet sind oder für Visa- oder Standesamtsangelegenheiten.

All diese Leistungen werden mit der Schließung solcher Einrichtungen wie in der aktuellen Runde in Frage gestellt. Wesentlich weniger Diplomaten können auch wesentlich weniger arbeiten.

Die genauen Auswirkungen lassen sich aktuell noch nicht überblicken, aber die harmloseren wie erheblich steigende Wartezeiten und Fahrtwege zu jedem Behördengeschäft sind schon eingepreist.

Zusätzlich kann es natürlich dazu kommen, dass Leistungen gar nicht mehr angeboten werden. All das trifft vor allem die, die mit dem jeweils anderen Land verbunden sind. Hier ist es die Frage, ob das die Regierungen beider Seiten nur nicht sehen wollen oder ob sie sogar an einer Kappung möglichst jeder Verbindung zwischen Deutschland und Russen interessiert sind.