Fällt das Urteil über die spanische Regierung?

Führt sie den Rechtsrutsch an? Isabel Díaz Ayuso. Bild: Comunidad de Madrid/CC BY-SA 4.0

Regional- und Kommunalwahlen: Wähler treffen Vorentscheidung, ob im Herbst im ganzen Land eine rechte-ultrarechte Regierung kommt. Eine ganz besondere Rolle spielt Madrid.

Im Spanien finden am Sonntag nicht nur Kommunalwahlen statt, sondern in 12 von 17 sogenannten "Autonomen Gemeinschaften" werden auch die Regionalparlamente gewählt. Und dabei steht die wichtige und bevölkerungsreiche Hauptstadtregion Madrid diesmal ganz besonders im Fokus.

Denn der Wahlausgang dort hat Signalwirkung für die kommenden spanischen Parlamentswahlen, die Ende des Jahres stattfinden werden. Nach bisherigen Erfahrungen fiel in der bevölkerungsstärksten Region Andalusien meist eine Vorentscheidung darüber, wer die Parlamentswahlen danach gewinnt und in Andalusien fanden schon vor einem Jahr vorgezogene Wahlen statt.

In der einstigen linken Hochburg wurde der Himmel für die Zentralregierung unter Pedro Sánchez, der das Land in Koalition mit dem Linksbündnis Unidas Podemos (UP) regiert, schon sehr finster, das sind keine guten Vorzeichen für die Sozialdemokraten.

Die konservative Volkspartei (PP) holte angesichts der linken Zerstrittenheit sogar eine absolute Sitzmehrheit und ist nicht mehr auf Unterstützung durch die ultrarechte Vox angewiesen. Trotz allem arbeiten beide eng zusammen, auch was die Zerstörung des Unesco-Weltkulturerbe Donaña angeht, damit wir trotz einer schweren Dürre billige Erdbeeren bekommen.

Auf Madrid kommt es an

In Madrid arbeitet die PP seit den vorgezogenen Regionalwahlen 2021 auch eng mit ihrer Rechtsabspaltung zusammen. Anders als in Andalusien muss dort, das schreibt das Wahlgesetz so vor, trotz allem erneut gewählt werden. Deshalb haftet der Blick ganz besonders am Sonntag auf der Hauptstadtregion.

Dort ist der Wahlkampf, wie sonst nirgends, auch von nationalen Fragen geprägt. Es hat dort den Anschein, als fänden schon am Sonntag Parlamentswahlen statt und vor allem hat man das Gefühl, dass es die baskische Untergrundorganisation Eta noch gebe, denn diese Karte spielt die "heimliche Oppositionsführerin in Spanien" Isabel Díaz Ayuso, amtlich ist sie die Madrider Regionalpräsidentin, ständig. Dabei ist die Eta seit Jahren aufgelöst und entwaffnet und hat sich bei den Opfern entschuldigt.

Doch Ayuso, glaubt, das Thema zieht noch, da ihr Intimfeind Sánchez auch immer wieder auf Stimmen der baskischen Linkskoalition EH Bildu zurückgreift. Die hat sich aber von der Eta-Gewalt distanziert, während sich die PP auch 50 Jahre danach nie vom Franquismus und der Diktatur distanziert hat. Sie wurde von Ministern der Diktatur gegründet.

Die Radikalisierung von Isabel Díaz Ayuso

Praktisch alle sagen Ayuso einen erneuten Sieg voraus. Der Spiegel fabuliert sogar von einem "haushohen Sieg". Das gibt der Durchschnitt der wichtigsten Umfragen aber nicht her. Er zeigt eine Stagnation. Ayusos PP soll demnach ihren Stimmanteil nur verteidigen.

Die eigentliche Frage ist angesichts einer gespaltenen und planlosen Linken nur, ob es das Wahlgesetz wie in Andalusien ermöglicht, dass sie darüber künftig eine absolute Sitzmehrheit erhält. Ayuso hat ihren rechten Diskurs noch weiter radikalisiert, um Vox Stimmen abzujagen.

Sie meint, man stehe "auf der richtigen Seite", wenn sie "als Faschistin bezeichnet wird". Sie konnte vor zwei Jahren den Aufstieg von Vox auf neun Prozent begrenzen und beschleunigte den Zerfallsprozess in der linken Podemos-Partei, einst ein Hoffnungsträger.

Ultras im Aufwind: Was haben ihnen die linken Parteien entgegenzusetzen?

Im angrenzenden Kastilien-León wurden die Ultras mit 18 Prozent sogar drittstärkste Kraft. Dort regiert eine PP-Vox-Koalition erstmals offen, ein Tabubruch durch die Schwesterpartei der CDU.

Die Frage ist, ob die Parteien weiter links von der Mitte dem etwas entgegenzusetzen haben. Sie sind weit hinter ihren großen Versprechen zurückgeblieben und haben ihre Wähler schwer enttäuscht.

Dass sie gerade sogar die Verschlüsselung von Messenger-Diensten in der EU verbieten lassen wollen, zeigt genauso, dass die Reise nicht in Richtung Fortschritt geht, wie die Tatsache, dass die Regierung keine Auskunft über die Verwendung von 41 Hilfsmilliarden aus dem Corona-Fonds geben kann.

Die Enttäuschung wird sich auch Valencia oder den Baleareninseln bemerkbar machen, wo die Sozialdemokraten auch mit linken Unterstützern regieren. Nach den Umfragen dürfte die PP mit Vox auch die Regionalregierung im wichtigen Valencia wieder übernehmen.

Sie soll vor der PSOE wieder stärkste Kraft in einer Region werden, wo sie wegen massiver Korruption abgewählt worden war. Dort könnte sie die Sitzanzahl sogar fast verdoppeln.

Die linke Podemos, in allen Wahlgängen der letzten Jahre auf dem absteigenden Ast, soll laut Umfragen nur noch die Hälfte der Sitze erhalten. Nur die linksnationalistische Regionalpartei Compromís könnte demnach ihr Ergebnis leicht verbessern.

Etwas besser sieht es laut Umfragen in bevölkerungsärmeren Regionen wie den Balearen, Aragon oder Kantabrien aus. Auch hier werden deutliche Gewinne der Rechten vorhergesagt, in allen drei Regionen soll die PP zwar stärkste Kraft vor der PSOE werden. Aber laut Prognosen wird es nicht für eine Regierungsbildung reichen.

Nur in Kastilien-La Mancha könnten die Sozialdemokraten trotz der aufsteigenden PP die Vorherrschaft und die Regierung verteidigen. Ob all das eintritt, ist ziemlich unklar, in Spanien weichen Umfragen gerne sehr stark von den Wahlergebnissen ab.

Absturzgefahr

Bestätigt sich der Trend aus vorangegangenen Wahlen, wie prognostiziert, so können sich die Sozialdemokraten (PSOE) unter Führung von Sánchez auf den Verlust der Regierungsmacht einstellen. Denn abstürzen dürfte auch die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), die bisher der Sánchez-Minderheitsregierung als Mehrheitsbeschaffer dient.

Dass die ERC die Wahlen in Barcelona erneut gewinnt, ist deshalb unwahrscheinlich. Viele Wähler lehnen den Schmusekurs in Madrid ab, zumal die Partei kaum etwas damit erreicht hat, sich von ihrem Versprechen, die Unabhängigkeit umzusetzen, zu verabschieden. Eine Wahlschlappe der ERC dürfte auch zu Neuwahlen in Katalonien führen, da die ERC eine sehr schwache Minderheitsregierung anführt, die keine Unterstützer mehr hat.

Dazu kommt für Sanchez noch, dass die Koalition nicht nur zerstritten ist, sondern der Koalitionspartner UP auch intern einen heftigen Machtkampf ausfechtet. Die Vize-Ministerpräsidentin und UP-Chefin Yolanda Díaz arbeitet mit "Sumar" (Summieren) an einem Konkurrenzprojekt zu Podemos.

Sie hat die Partei, die Díaz großgemacht hat, zu deren Entsetzen ausgegrenzt. Díaz kommt aus der einst abgestürzten Vereinten Linken (IU). Die Zersplitterung, auch das hat Andalusien gezeigt, stärkt die Rechte. Nach dem Wahlrecht werden Sitze nicht proportional verteilt, sondern große Parteien stark begünstigt. Die PP erreicht mit nur 43 Prozent eine absolute Mehrheit.

Linke Hoffnung Sumar

Ein echter Stimmungstest sind die Wahlen für Sumar nicht. Díaz traute sich nicht zu einer Kandidatur mit ihrem Projekt. Sie möchte sich bis Juli Möglichkeiten offenhalten und die Wahlen jetzt abwarten, um zu klären, ob sie dem Drängen von Podemos entgegenkommen will und der Partei dann doch noch eine zentrale Rolle in Sumar einräumt.

Interessant wird, wie die Sumar-Unterstützer abschneiden, so etwa "Más Madrid" (Mehr Madrid), die bisher mit 17 Prozent die zweitstärkste Kraft in der Hauptstadtregion ist noch vor der PSOE von Sánchez oder En Comú von Ada Colau.

Ob Ada Colau erneut Bürgermeisterin von Barcelona werden kann, ist zu bezweifeln. Der Lack ist längst ab, ehemalige Unterstützer sind mehr als enttäuscht und haben sich von der ehemaligen Aktivistin abgewendet.

Dass sie schließlich mit rechten Stimmen gegen den Wahlsieger ERC gekrönt wurde, war vielen Unterstützern zu viel, weshalb Colau eher eine Belastung statt eine Bereicherung für Sumar werden dürfte.

Der Wahlverlust dürfte einen weiteren Schatten auf das Projekt werden. Ohnehin hat Díaz es sich längst abgeschminkt, die Wahlen im Herbst zu gewinnen, sie will nur weiter Mehrheitsbeschafferin von Sánchez werden. Ohne eine Kooperation mit Podemos wird die Zersplitterung aber nur zu einer Rechtsregierung führen, wie sich am kommenden Sonntag andeuten dürfte.