"Dream Scenarios": Ein Traummann und verstümmelte Persönlichkeiten

Dream Scenario. Bild: © A24

Im Kino: Der berühmteste Mann der Welt und die Gesellschaft. Eine helle Sicht auf unsere Individualität und soziale Medien: Wie korrumpiert sind wir schon?

Der heute in den deutschen Kinos startende Film "Dream Scenario" könnte auf den ersten Blick als eine Groteske abgetan werden. Als eine unterhaltsame Eskapade des Regisseurs Kristoffer Borgli, der in seinem Werk auch als Drehbuchautor und Cutter hervorsticht.

In dem Film spielt der Protagonist Paul Matthews – hervorragend dargestellt von Nicolas Cage – einen anachronistischen Professor für Evolutionsbiologie, der plötzlich und unerklärlich als globales Phänomen in den Träumen einer Vielzahl von Menschen auftaucht.

Zuerst erlangt er durch sein passives Erscheinen in Träumen Bekanntheit. Doch bald wird seine Berühmtheit durch sein systematisch bösartiges und teuflisches Verhalten in den Träumen der Menschen – wieder ohne eigenes Zutun – berüchtigt. Dies führt zum Verlust seines Arbeitsplatzes und seiner Ehe. So weit, so absurd.

Träume in Zeiten digitaler Kommunikation

Der Film versinnbildlicht hellsichtig gesellschaftliche Entwicklungen – herausragender Kunst mag dieses Potenzial innewohnen –, die mit dem Auftauchen von digitalen Formen der Kommunikation verbunden sind. Borglis Film als bloß amüsanten Eskapismus, eine Fantasie, ohne jeglichen realen Gehalt zu verstehen, wäre verfehlt.

Dream Scenario (12 Bilder)

Bild: © A24

Träume können symbolisch für die Individualität von Personen und ihre einzigartigen Persönlichkeitseigenschaften stehen. Dass sich Träume einer Vielzahl von Menschen länderübergreifend in einem Detail gleichen können, wie dem Auftauchen einer bestimmten Person, erscheint zunächst als Ding der Unmöglichkeit.

Dass dies dennoch geschieht, begründet im Film die weltweite Berühmtheit des altmodischen Professors Paul Matthews.

Dieses Szenario ist in Zeiten digitaler Kommunikation jedoch nicht so absurd, wie es zunächst erscheinen mag. Dass ein Großteil der Weltbevölkerung dieselbe kommunikative und informative Infrastruktur nutzt – soziale Medien wie TikTok oder Instagram haben jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer –, war bis vor Kurzem undenkbar.

Berühmtheit: Überindividuelle Korruption und soziale Medien

In Borglis Film haben Träume immer noch einen individuellen Charakter, werden aber durch das systematische Auftauchen einer Person gewissermaßen überindividuell korrumpiert, was als Metapher für die Nutzung sozialer Medien gelesen werden kann.

Denn, sicher, die Rezeption sozialer Medien erfolgt immer noch individuell. Aber schon die Nutzung der gleichen kommunikativen Infrastruktur (Apps), die Milliarden von Menschen Informationen auf Basis gleicher Algorithmen zur Verfügung stellt (wenn auch personalisiert), hat homogenisierende und Individualität korrumpierende Effekte.

Auf diese Weise entstehen Wellen globaler Aufmerksamkeit für Phänomene, sei es im positiven (etwas "geht viral") oder im negativen Sinne (etwa als "shitstorms").

Die Metapher von länderübergreifend korrumpierten Träumen ist im Film klug gewählt. Soziale Medien sind als globales Phänomen zu verstehen; jedoch sind es nicht die Phänomene selbst, sondern die Ökonomie einer gleichgeschalteten ("viralen") Aufmerksamkeit mittels sozialer Medien, die für Berühmtheit sorgt.

Ökonomie der Aufmerksamkeit: Begrenzte Spielräume

Genau in diesem Sinne erlangt Paul Matthews seinen (berüchtigten) Ruhm nicht aufgrund seiner besonderen Persönlichkeit, sondern durch sein passives Auftreten in Träumen. Träume symbolisieren im Film also die Ökonomie schlichter Aufmerksamkeit, die über soziale Medien funktionieren kann, unabhängig von objektiven Eigenschaften.

Der Film zeigt, dass aufgrund der Eigendynamik der Entstehung von Aufmerksamkeit, die den sozialen Medien eigen ist, der Spielraum für persönliches Handeln des Subjekts (globaler) Aufmerksamkeit, hier Professor Matthews, begrenzt ist.

Dies zeigt sich etwa in Matthews erfolglosen Versuchen, seinen Ruhm zu nutzen, um ein wissenschaftliches Buchprojekt zu realisieren. Lediglich eine Autobiografie erscheint schließlich, sicher nicht im Sinne ihres Autors, in Frankreich in einer ausgedünnten, skandalträchtigen und damit vorrangig der Vermarktung dienlichen Form.

Eine ehrliche Entschuldigung in sozialen Medien

Auch Matthews' Bemühungen, die sozialen Medien selbst zu nutzen, um in einer möglichst ehrlichen und herzergreifenden "Entschuldigung" seine Verantwortung für sein bösartiges Agieren in den Träumen anderer Menschen abzulehnen, sind zum Scheitern verurteilt.

Es ist nicht die objektive Unschuld des Professors hinsichtlich seines Auftauchens in den Träumen von Personen, die von Bedeutung ist, sondern wie die "Entschuldigung" in der Ökonomie der Aufmerksamkeit sozialer Medien ankommt.

Es ist tragisch, dass selbst der gemeinhin verständnisvollste Kreis persönlicher Kenntnis und Vertrautheit – nämlich die Familie – durch die unpersönliche Aufmerksamkeit sozialer Medien korrumpiert wird. Die Ehefrau konstatiert lediglich Peinlichkeit im Verhalten ihres Mannes; eine Tochter kommentiert sarkastisch, dass nun ihrerseits Suizid fällig wäre.