Waldwirtschaft am Scheideweg: Wie artenreiche Wälder dem Klimawandel trotzen

Laubwälder sind resilienter als Fichtenmonokulturen. Archivbild: AxelHH / CC0 1.0

Forstwirtschaft soll sich rechnen. Auch die Kosten des Artenschwunds sind enorm. Doch es gibt einen Lösungsansatz.

Je artenreicher ein Wald ist, umso resilienter ist er gegenüber dem Klimawandel. Das Anpflanzen diverser Baumarten kann somit helfen, wirtschaftliche Risiken und Erträge in Waldbeständen auszugleichen.

Die Balance zwischen Ökologie und Ökonomie im Wandel

Doch funktioniert diese Anpassungsstrategie, die Synergie zwischen Ökologie und Ökonomie auch unter kurzfristigeren extremen Wetterereignissen? Diese Frage untersuchte ein interdisziplinäres Forscherteam der Universität Göttingen, der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und dem Natural Resources Institute Finland (Luke) in einer aktuellen Studie.

Ergebnis: Die Kosten für Pflanzung und Pflege vielfältiger Wälder können offenbar nicht mehr durch die Erlöse späterer Holznutzung gedeckt werden, wenn Störungen das Wachstum der Bäume frühzeitig beenden. Es bleibt ein Investitionsrisiko. Konkret untersuchte das Team die Frage, welche Baumartenmischung für einen großen Forstbetrieb unter bestimmten Bedingungen ökonomische Risiken und Erträge optimal ausbalanciert.

Klimawandel: Bedrohung für Wälder und Wirtschaft

Sie simulierten den Einfluss kleinräumiger Störungen in einzelnen Waldbeständen sowie großflächiger Störungen, durch extreme Wetterereignisse verursacht werden. Stürme und Trockenheit beeinflussen die Ökosysteme und ihre nachhaltige Nutzung.

Aus rein ökonomischer Perspektive könne es bei wahrscheinlichem Auftreten von Extremwetterereignissen sinnvoll sein, sich auf investitionsarme Baumarten mit geringen Etablierungs- und Pflegekosten zu konzentrieren, erklärt Erstautor Jasper M. Fuchs von der Universität Göttingen.

Allerdings bevorzugen risikoscheue Waldbesitzer auch weniger stabile Baumarten zugunsten niedriger Investitionskosten. Das würde bedeuten, dass bei extremen Wetter- und Witterungsszenarien die Artenvielfalt im Wald abnimmt. Forstpolitische Maßnahmen, aber auch finanzielle Unterstützung, könnten das Investitionsrisiko verringern.

Laut Mitautorin Carola Paul deutet die Studie darauf hin, dass Pflanz- und Pflegekosten eine wichtige Hebelwirkung entfalten, um vielfältige und stabile Wälder mit ihren vielfältigen Ökosystemleistungen zu erhalten.

Weltweiter Artenschwund kostet Hunderte Milliarden Dollar

Bereits 2016 fanden Göttinger Wissenschaftler heraus, dass ein Artenrückgang zu massiven Einschnitten bei der Produktivität der Wälder führt. Demnach geht der Holzertrag um zehn bis fünfzehn Prozent zurück, wenn die Baumartenvielfalt weltweit halbiert wird. Würden Monokulturen hingegen mit diversen anderen Arten angereichert, erhöhten sich auch die Holzzuwächse.

Bei einer Artenverarmung von 99 Prozent würde der Ertrag um 62 bis 78 Prozent sinken. Dies entspräche einem Wertverlust von 160 bis rund 490 Milliarden US-Dollar pro Jahr, erklärt Studienautor Christian Ammer.

Diese gigantischen Verluste machen etwa das Fünffache der jährlichen Aufwendungen zum weltweiten Erhalt der Biodiversität aus. Hinzu kämen Wertverluste durch verminderte genetische Vielfalt sowie fehlende Schutz- und Erholungsfunktionen. Die Studie wertete 8737 Baumarten in Mangrovenwäldern und tropischen Feuchtwäldern, in Tundren, Trockensavannen als auch in mediterranen und mitteleuropäischen Wäldern in 44 Ländern aus.

Forstplantagen sind keine Wälder

Im Hinblick auf Kohlenstoffspeicherung und Erholung sind Wälder mindestens genauso wichtig wie für die Holzproduktion. Doch die wirtschaftliche Erzeugung von Holz steht nach wie an erster Stelle. Den Forstbehörden gehe es aber nur darum, Nadel- oder Laubhölzer zu erzeugen. Damit degradieren sie den Wald zur Produktionsanlage und zum Warenlager, kritisiert der Förster und Buchautor Peter Wohlleben.

Viele Forstbehörden behaupten, wenn sie Bäume pflanzen, bekämen sie wieder Wald: Nadelbäume werden in Reih und Glied gepflanzt und regelmäßig ausgedünnt. Erreicht ihr Stamm einen bestimmten Durchmesser, werden sie geerntet.

Forstwirtschaft im Konflikt mit nachhaltigem Klimaschutz

Aber kann man eine Plantage, in denen kein Baum sein natürliches Höchstalter erreicht und die durch unzählige Wege zerschnitten wird, wirklich als Wald bezeichnen? Zwar ernten die Forstverwaltungen heute nicht mehr Holz, als nachwächst. Jedoch wird sogar in vielen Nationalparks Holz geerntet, schwerstes Gerät eingesetzt und Kahlschläge verübt. Nachhaltige Bewirtschaftung sieht anders aus.

Baumarten müssen an den Standort angepasst sein

Die intensive Forstwirtschaft der letzten beiden Jahrhunderte schuf naturferne Industrieforste, in denen Nadelbäume dominieren. Durchschnitten von Straßen und Maschinenwegen, wird vermehrt Gift gegen Schädlinge eingesetzt. Mehr als die Hälfte des Fichtenholzes ist allein in den letzten Jahrzehnten durch Stürme oder den Befall von Borkenkäfern geschädigt.

Zwischen 2018 und 2020 wurden rund 277.000 Hektar Forst schwer geschädigt - eine Fläche so groß wie das Saarland. Die geschädigten Flächen werden überwiegend mit schweren Maschinen geräumt und zum Teil wieder mit Nadelbäumen wie Fichten, Douglasien oder Kiefern aufgeforstet.

Die damals gepflanzten Bäume seien vielfach schon wieder eingegangen, klagt Peter Wohlleben. Denn häufig kämen die Bäume aus Baumschulen mit den Standortbedingungen nicht zurecht. Die Bundesregierung finanziert die Aufforstung mit öffentlichen Mitteln. Anreize, um die wenigen noch verbliebenen naturnahen Wälder zu schützen und die Wirtschaftswälder ökologisch zu bewirtschaften, gebe es allerdings kaum, kritisieren die Autoren in einem Greenpeace-Dossier von 2021

Bäume können sich ihren Lebensraum zurückerobern

Überall, wo Fichten absterben, stehen die nächsten Laubbäume oft nur wenige hundert Meter weit entfernt. Wenn sie in Ruhe gelassen werden – vermehren sich einzelne Laubbäume kräftig. Dazu fliegen die Samen teilweise sehr weit, wie zum Beispiel die von Pappeln und Weiden. Die Samen von Arten mit schwereren Früchten wie Eichen oder Buchen hingegen transportieren die Vögel an neue Orte.

Einige Baumarten sind besonders anpassungsfähig. So besiedeln Birken, Pappeln oder Eichen den Boden überall dort, wo die Sonne auf den Beton, Schotter, Gleise knallt, wo es zu trocken oder zu heiß ist. Nur als große Waldgemeinschaft können die Wälder sich herunterkühlen und gegen Hitze, Dürre oder Überschwemmungen bestehen.

Ein gesunder Wald gestaltet sein Mikroklima selbst, etwa - indem er Feuchtigkeit spendet. Und auch tote Bäume sind nützlich: Werfen sie ihre Schatten auf überhitzte Freiflächen, wird es dort deutlich kühler. Unter diesen Bedingungen kann sich der Wald besser regenerieren. (Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume, Ludwig-Verlag München, 2015)

Laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft sind in Deutschland heute 11,4 Millionen Hektar bewaldet. Das entspricht etwa einem Drittel der Landesfläche. Ursprünglich jedoch waren mehr als 90 Prozent der Fläche mit riesigen Laubmischwäldern bedeckt.

Menschen verändern Wälder durch ihr ständiges Eingreifen

So wuchsen in Mittel- und Westeuropa über Jahrhunderte fast nur Buchen, durchsetzt mit einigen Dutzend weiteren Baumarten. Diese Wälder waren sehr stabil. Brach ein Riese zusammen, wuchs an seiner Stelle ein junger Baum nach. Das von den Bäumen selbst gestaltete Mikroklima schützte sie vor Kälte als auch vor Hitze.

Dies ermöglichte tausenden Tierarten, entsprechende Nischen zu besetzen. Überall in den Wäldern herrschten gleichbleibende Bedingungen. Das funktionierte so lange, bis Kelten und Römer begannen, die Wälder abzuholzen. Im Mittelalter war der Bedarf an Holz für Heizen, Schiffs- und Häuserbau enorm. Auf diese Weise wurden die deutschen Urwälder fast komplett vernichtet.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden große Flächen mit Fichten und Kiefern wieder aufgeforstet, weil diese auf ausgelaugten Böden besonders gut zurechtkamen und mit ihren Nadeln Wildfraß zur Wehr setzen konnten. Zudem sind Fichten billiger in der Anzucht als Buchen und Eichen. Echte alte Laubwälder gibt es nur noch wenige.

Mehr als die Hälfte aller deutschen Wälder bestehen aus Nadelbäumen, die vor allem aus der kühlen nördlichen Taiga stammen. Waldbrände und Borkenkäferplagen halten sie nicht so gut aus. Kein Wunder, dass sie nun den häufigen Wetterextremen zum Opfer fallen.