Gericht: Abmeldung von E-Mail-Werbung geht formlos und wirkt sofort

Widerspruch gegen Werbemails ist auch formlos wirksam. Der Betroffene muss sich nicht mit dem Kundenverwaltungssystem des Werbetreibenden herumschlagen.​

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Eine blonde Frau sitzt auf einem Sofa und hält sich die Ohren zu. Vor ihr mehrere Hände, die ihr Laptops, ein Tablet, ein Handy und ein Megafone ins Gesicht halten

(Bild: Shyntartanya/Shutterstock.com)

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Das Recht auf Ruhe im eigenen E-Mail-Postfach stärkt ein Urteil des Landgerichts Paderborn (LG). Es verwirft gleich eine Reihe von Argumenten eines Reisebüros, das einen Geschäftskunden mit zahlreichen Werbemails bedacht hat, obwohl dieser sich das per Anwaltsbrief verbeten hat. Abmeldungen müssen demnach sofort wirksam sein, nicht erst nach einer Woche oder gar einem Monat. Und sie sind formlos möglich. Für jede weitere Belästigung droht dem Reisebüro eine Viertelmillion Euro Geldstrafe.

"Der Widerspruch gegen die Verwendung der elektronischen Postadresse zum Zwecke der Übersendung von Werbung nach Paragraph 7 Absatz 3 Nummer 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ist formlos möglich und setzt nicht voraus, dass der Kunde selbst bestimmte Einstellungen im 'Kundenverwaltungssystem’ des Unternehmens tätigt", heißt das im Juristendeutsch des Urteils (Az. 2 O 325/23). Außerdem verdeutlicht das Gericht einige der Voraussetzungen, damit Werbung per E-Mail an sich zulässig ist.

Geklagt hat ein Unternehmer, der bei einem Reisebüro eine Reise gebucht hatte. Eine ausdrückliche Einwilligung in Werbemails erteilte der Unternehmer nach eigenen Angaben nicht, den Gegenbeweise konnte das Reisebüro nicht erbringen. Dennoch erhielt der Kunde anschließend wiederholt Werbemails des Reisebüros. Dieses verwies dazu auf seine 26 DIN-A4-Seiten lange Datenschutzerklärung, auf deren Seite 8 die Nutzung personenbezogener Daten für Marketingzwecke vorbehalten wird. Auf Seite 23 und 24 wird über das Widerspruchsrecht informiert. Zudem war in jedem Werbemail ein "Abmelden"-Link enthalten.

Diese Vorkehrungen reichen allerdings nicht, sagt das Gericht. Grundsätzlich gilt Werbung nach Paragraph 7 UWG als unzumutbare Belästigung, gegen die sich ein betroffener Unternehmer mit Besitzstörungsklagen analog Paragraph 823 Absatz 1 und Paragraph 1004 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) wehren kann. Paragraph 7  Absatz 3 UWG enthält aber eine Ausnahme, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört, dass "der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann." Beide diese Voraussetzungen sieht das Gericht als nicht erfüllt an.

Der Hinweis auf Seite 23 einer 26 Seiten langen Datenschutzerklärung erfülle nämlich nicht die Voraussetzung eines klaren und deutlichen Hinweises bei der Erhebung der Adresse im Zuge einer Flugbuchung. Und: "Für den gesetzlich vorgeschriebenen Hinweis auf das Widerspruchsrecht war es auch nicht ausreichend, dass (das Reisebüro) in jeder E-Mail … auf die Abmeldung durch anklickbare Links verwiesen hat." Denn dabei fehle der "konkrete Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit an sich."

Am 5. September buchte der später klagende Unternehmer bei dem Reisebüro einen Flug. Dieses schickte ihm am 13. September Werbung per E-Mail. Schon am nächsten Tag mahnte der Kunde das Reisebüro per Anwaltsschreiben ab und verlangte dabei die Sperre seiner E-Mail-Adresse für Werbung, eine Unterlassungserklärung und Zahlung der Anwaltskosten. Doch das Reisebüro reagierte mit weiterer Werbung am 19. und 24. September, auf die der Rezipient jeweils wieder mit anwaltlicher Abmahnung antwortete. Erst am 26. September nutzte er den "Abmelden"-Link.

Daraufhin erhöhte das Reisebüro die Schlagzahl. Am 2. und 3. Oktober kamen insgesamt drei weitere Reklamemails, was ein weiteres Anwaltsschreiben des Betroffenen auslöste. Am 4. und 11. Oktober versprach das Reisebüro, keine Werbung mehr zu senden, lehnte es aber ab, die strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Also ging der Betroffene zu Gericht. Dort verwies das Reisebüro erfolglos auf die Monatsfrist nach Artikel 12 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Diese Frist gilt allerdings für (gar nicht begehrte) datenschutzrechtliche Auskünfte, nicht für den Stopp von E-Mail-Werbung. Auch ein Dokument der deutschen Datenschutzkonferenz namens "Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung" half dem beklagten Reisebüro nicht. Dieses Dokument empfiehlt bei entsprechendem Verlangen ebenfalls ein unverzügliches Ende von Werbung, kennt aber eine Ausnahme für bereits angelaufene Werbekampagnen. Diese Ausnahme "bezieht sich unzweifelhaft auf postalische Werbung", nicht auf E-Mail, hält das Gericht entgegen.

Das Reisebüro hätte schon auf das erste Anwaltsschreiben sofort reagieren und die Werbemails unverzüglich einstellen müssen, sagt das LG Paderborn. Dass der Betroffene später den Abmelde-Link gefunden hat, tue nichts zur Sache. Und selbst dann habe der Werbetreibende nicht sofort reagiert. Also soll er die Abmahnkosten von gut 650 Euro zuzüglich Zinsen sowie die sicherlich höheren Verfahrenskosten tragen.

Zudem gibt es eine Unterlassungsverfügung: Bei jedem weiteren Verstoß würden bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld fällig, ersatzweise bis zu sechs Monate Ordnungshaft für den Geschäftsführer. Dem Reisebüro stehen Rechtsmittel gegen das Urteil offen.

(ds)