Broadcom im Visier der EU-Kartellbehörde

EU-Wettbewerbshüter befragen nach Beschwerden gewerblicher Anwender Broadcom zu VMware-Lizenzierungsänderungen. Broadcom reagiert auf die Kritik.

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Eingangsbereich des Unternehmenssitzes von US-Chiphersteller Broadcom in Irvine, US-Bundesstaat Kalifornien.

(Bild: Sasime/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Der US-Chiphersteller Broadcom muss sich gegenüber den EU-Kartellbehörden zu Änderungen an den Lizenzbedingungen des Ende vergangenen Jahres übernommenen Cloud-Computing-Unternehmens VMware äußern. Anlass sind Beschwerden mehrerer gewerblicher Nutzer in der EU. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag.

Dem Bericht zufolge erklärt die EU-Wettbewerbsbehörde, sie habe in der Angelegenheit ein Auskunftsersuchen an Broadcom geschickt. "Die Kommission hat Informationen erhalten, die darauf hindeuten, dass Broadcom die Bedingungen für die Softwarelizenzierung und den Support von VMware ändert", zitiert Reuters einen EU-Sprecher. Verschiedene Verbände von Geschäftsanwendern, darunter VOICE aus Deutschland, der Bundesverband der IT-Anwender, haben sich demnach im vergangenen Monat mit ihren Beschwerden an die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, den EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt.

In einem gemeinsamen Schreiben kritisieren sie plötzliche Änderungen im Geschäftsgebaren Broadcoms. Diese hätten zu starken Preiserhöhungen, Bündelung von Lizenzen, einem Verbot des Weiterverkaufs von Lizenzen und der Weigerung, Sicherheitsbedingungen für unbefristete Lizenzen aufrechtzuerhalten, geführt. Zudem hat sich laut Reuters der Branchenverband CISPE, zu dessen Mitgliedern Amazon und 26 kleine Cloud-Anbieter in der EU gehören, darüber beschwert, dass Broadcom einseitig Lizenzbedingungen für wichtige Virtualisierungssoftware gekündigt habe.

Broadcom wiederum kündigte am Montag Änderungen für VMware-Kunden an, um die Kritik abzuwehren. Erst Mitte März – 100 Tage nach der VMWare-Übernahme durch Broadcom – hat Broadcom-CEO Hock Tan anerkannt, dass Veränderungen bei der VMware-Produktpalette und -Lizenzierung bei Kunden und Partnern für "etwas Missfallen" gesorgt hätten.

"Wir bleiben bei unserer Entscheidung, unsere Ressourcen auf Forschung und Entwicklung zu konzentrieren und mit VCF [VMware Cloud Foundation, Anmerkung] eine echte, nahtlose Private Cloud für unsere Kunden zu entwickeln, die mit der Public Cloud konkurrenzfähig ist", schreibt Tan in einem aktuellen Blogpost. "Wir unterstützen diese Entwicklung mit neuen Investitionen in Milliardenhöhe, um ihren Erfolg sicherzustellen. Und wir haben den Preis für VCF drastisch gesenkt, um die Akzeptanz bei den Kunden zu fördern." Zudem nehme Broadcom Änderungen vor, um den Kunden ein einheitliches Erlebnis zu bieten.

"Diese Änderungen sollen zu einer integrierten VCF-Lösung führen, die unseren geschätzten Kunden sowohl in ihren eigenen Rechenzentren als auch in der Cloud mit erhöhter Portabilität bei der Verlagerung von Arbeitslasten zwischen Rechenzentren vor Ort und unterstützten Cloud-Anbietern größere langfristige Vorteile bringt", schreibt der Broadcom-CEO. Er kündigt ein vereinfachtes Portfolio an, das auf zwei Kernlösungen basiert: VCF und VMware vSphere Foundation (VVF). "VCF umfasst alle Rechen-, Speicher-, Netzwerk-, Management- und Support-Funktionen, die eine konsistente Infrastruktur und einen konsistenten Betrieb über Clouds hinweg ermöglichen, und ist zum halben Listenpreis im Vergleich zu früheren Preisen erhältlich. VVF ist die Alternative mit erweiterten Rechen-, Betriebs- und Verwaltungsfunktionen für Kunden, die noch nicht bereit sind, den Sprung in eine Komplettlösung zu wagen, aber eine Verwaltung über VMs und Container hinweg benötigen."

Laut Tan standardisiert Broadcom die Preisgestaltung bei allen Cloud-Anbietern auf die Lizenzierung pro Kern – dieselbe Metrik, die auch bei der Lizenzierung für Endkunden verwendet wird – und werde sicherstellen, dass Kunden beim Wechsel des Anbieters nicht mit ungleicher Lizenzierung und zusätzlichen Lizenzkosten konfrontiert werden. Auch kündigt Tan die Standardisierung des Stacks für Cloud-Anbieter auf VCF an. Dadurch werde sichergestellt, dass Kunden bei allen von VMware unterstützten Cloud-Anbietern dieselbe Technik und denselben Support nutzen können.

"Außerdem werden technische Hindernisse für Kunden beseitigt, die von On-Premise auf Cloud umsteigen, ihre Workloads von einem Cloud-Anbieter zu einem anderen migrieren oder zu On-Premise-Rechenzentren zurückkehren möchten, wenn sich ihre Anforderungen ändern." Und schließlich wird VMware seine 2018 begonnene Umstellung auf ein Abonnementmodell abschließen, das Zugriff auf die neueste Version plus Support für einen festen Zeitraum bietet. Bestehende unbefristete Lizenzen können Kunden weiter nutzen, verspricht Tan.

(akn)