c't 15/2022
S. 16
Titel
Strom selbst erzeugen
Bild: Andreas Martini

Günstiger Strom für alle

Strom selbst erzeugen statt teuer einkaufen

Lange galten Menschen, die sich für viel Geld Solarpanels aufs Dach des Eigenheims montieren ließen, als hoffnungslose Idealisten oder Spinner. Die aktuelle Energiepreisentwicklung lässt sie nun als Visionäre und Sparfüchse erscheinen. Wir zeigen, wie Sie Ihren eigenen Strom sinnvoll produzieren – als Eigenheimbesitzer, aber auch als Mieter.

Von Georg Schnurer

Der Preis für Haushaltsstrom kennt seit geraumer Zeit nur eine Richtung: Er steigt rasant an. Verantwortlich dafür sind zahlreiche Faktoren wie etwa der weltweite Hunger nach immer mehr Energie, aber auch die deutsche Energiepolitik. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Folgen für die Energieträger Kohle, Öl und Gas befeuern den Preisanstieg zusätzlich – schließlich wird knapp die Hälfte unseres Stroms nach wie vor durch die Verbrennung fossiler Energieträger gewonnen.

Doch auch wenn sich die weltpolitische Lage wieder normalisieren sollte, wird sich der Preis für elektrische Energie in absehbarer Zeit nicht nach unten bewegen: Der kaum noch aufzuhaltende Klimawandel zwingt vor allem die Industrienationen, sich möglichst schnell von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Die immer weiter steigende CO2-Abgabe soll hier Druck machen und verteuert den Strom zumindest mittelfristig. Hinzu kommt die steigende Nachfrage nach Strom, etwa durch Elektroautos und Wärmepumpen. Erst wenn der Einstieg in eine klimaneutrale Energieversorgung weitgehend geschafft ist, dürfen wir wieder auf sinkende Strompreise hoffen.

Was tun?

Angesichts dieser Entwicklung liegt es nahe, zunächst über Einsparmöglichkeiten nachzudenken. Gerade wir IT-Begeisterten lassen so manchen PC kontinuierlich an und auch wenn moderne Geräte irgendwann in den Standby-Modus wechseln: Auch die im Standby verbrauchte Energie kostet Geld. Und müssen Router, NAS und Server wirklich 24/7 an der Steckdose nuckeln? Jede abgeschaltete Stunde zählt hier. Sparen kann man eventuell auch bei Gerätschaften wie Kühltruhen und -schränken. Sehr alte Modelle verbraten viel Energie und es lohnt sich mitunter, die Energiefresser zu ersetzen.

Ein Einfamilienhaus mit Vollbestückung: Außer einer Photovoltaikanlage liegen auf dem Dach auch noch Wärmetauscher für Solarthermie und im Hintergrund dreht sich ein kleines Windrad., Bild: Georg Schnurer
Ein Einfamilienhaus mit Vollbestückung: Außer einer Photovoltaikanlage liegen auf dem Dach auch noch Wärmetauscher für Solarthermie und im Hintergrund dreht sich ein kleines Windrad.
Bild: Georg Schnurer

Allerdings braucht selbst der sparsamste Haushalt immer noch Strom. Warum also nicht versuchen, die selbst verbrauchte elektrische Energie auch günstig selbst zu erzeugen? Sonne, Wind und Wasserkraft liefern diese klimaneutral und kostenlos. Darum werden diese regenerativen Energiequellen auch zunehmend von den Energiekonzernen genutzt. Was im Großen funktioniert, sollte doch auch kleiner wirtschaftlich zu betreiben sein. Nun hat nicht jeder einen Bachlauf mit hinreichendem Gefälle im Garten. Wasserkraft fällt deshalb in der Regel als privater Energielieferant aus.

Mit Sonne und Wind sieht es da schon viel besser aus. Mieter und Eigenheimbesitzer können die kostenlose Sonnenenergie leicht nutzen. Wer ein Haus besitzt, kann das Dach mit einer Fotovoltaikanlage ausstatten. Das lohnt sich besonders bei großen, unbeschatteten Dächern mit Südausrichtung. Doch auch auf Dächern in Ost- oder Westrichtung rentiert sich in der Regel die Anschaffung einer PV-Anlage. Selbst teilbeschattete Dächer sind nutzbar, vorausgesetzt, der Installateur sieht Überbrückungseinrichtungen für die zeitweise im Schatten liegenden Module vor. Das stellt sicher, dass einzelne beschattete Module nicht den kompletten Strang blockieren.

Generell lohnt sich eine PV-Anlage vor allem für die eigene Energieversorgung. Das Einspeisen ins öffentliche Netz wird bei neu errichteten typischen Dach-PV-Anlagen mit maximal 10 kWp – kWp, das ist die maximale Leistung einer PV-Anlage unter idealen Bedingungen – mit gerade einmal 6,34 Cent pro kWh (Stand Juni 2022) vergütet, wogegen der Verbraucher bei Neuverträgen schon mal 40 und mehr Cent pro kWh zahlt. Da ist es besser, die erzeugte Energie selbst zu verbrauchen. Besonders komfortabel geht das natürlich, wenn man neben den Solarpanels auf dem Dach auch noch einen ausreichend groß dimensionierten Speicher vorsieht. Der erhöht zwar die Anschaffungskosten der Anlage nicht unerheblich, kann sich aber auf lange Sicht durchaus lohnen. Was es sonst noch bei der Errichtung einer PV-Anlage auf dem eigenen Dach zu beachten gilt, beleuchtet der Beitrag auf Seite 26.

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Quelle: BDEW

Eigener Strom für Mieter, auch das ist möglich, wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab. Wer einen Balkon besitzt, der nicht gerade nach Norden ausgerichtet ist, kann an dessen Brüstung ein oder zwei Solarpanels und einen Wechselrichter montieren. Die so gewonnene Energie wird dann in den Stromkreis eingespeist. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben darf so ein „Balkonkraftwerk“ zwar nur eine Maximalleistung von 600 Watt haben, doch auch das rentiert sich durchaus für viele, schließlich kosten Solarpanels und Wechselrichter nicht die Welt. Allerdings gibt es selbst für die Installation solcher Kleinstenergieerzeuger in Deutschland jede Menge Vorschriften, sowohl von gesetzlicher Seite als auch auf Seiten der Energieversorger. Wie man diese zumeist künstlich errichteten Hürden überwindet und was es sonst noch bei der Planung und dem Bau eines Balkonkraftwerks zu beachten gilt, verrät der Artikel ab Seite 20.

Mieterstrom

Als Mieter könnte man freilich auch davon profitieren, dass der Vermieter auf dem Dach der Wohnanlage PV-Module installiert. Die Energie könnte dann ohne große Umwege in den Wohnungen des Hauses verbraucht werden. Damit würde der Vermieter auch zum Stromlieferanten und die Mieter könnten von ihm günstige Energie beziehen. Das klingt in der Theorie verlockend, doch kaum ein Vermieter tut das. Schuld daran sind die Gesetzgebung und die überbordende Regulierung. Zusätzlich mindert der nicht unerhebliche Aufwand, den Verbrauch der einzelnen Mieter zu erfassen, vor allem in älteren Gebäuden die Bereitschaft vieler Vermieter, hier zu investieren.

Auch wenn die jetzige Bundesregierung die Teilhabe der Mieter an der Energiewende eigentlich fördern wollte, erreicht sie mit der jüngsten Gesetzesinitiative, dem sogenannten „Photovoltaik-Booster“ (EEG2023), eher das Gegenteil: Speist ein Vermieter den gesamten auf dem Dach erzeugten Strom ins öffentliche Netz ein, so soll er pro kWh je nach Größe der Anlage zwischen 11,3 (Anlagen bis 100 kWp) und 13,8 Cent (Anlagen bis 10 kWp) erhalten, also deutlich mehr als die bei Teileinspeisung üblichen 4,81 (bis 100 kWp) bis 6,34 Cent (bis 10 kWp, Stand Juni 2022). Zwar ist im Gespräch, mit der neuen EEG-Verordnung auch die bislang degressive – also langsam sinkende – Vergütung für Teileinspeisung auf einen Wert von 6,45 bis 6,53 Cent pro kWh bei kleinen Anlagen einzufrieren, doch genaue Zahlen gibt es dazu noch nicht. In jedem Fall wird die Einspeisung des gesamten erzeugten Stroms deutlich besser vergütet als die Teileinspeisung.

, Quelle: Bundesnetzagentur
Quelle: Bundesnetzagentur

Hinzu kommt noch, dass ein Vermieter, der Strom an seine Mieter liefert, nahezu die gleichen Auflagen erfüllen muss wie ein großer Energieversorger – mit allen dazugehörenden steuerlichen Auflagen und Dokumentationspflichten. So wird es für den Vermieter nicht nur uninteressant, den PV-Strom an die Mieter zu liefern. Er wird auch etwaigen Gemeinverbrauch wie Aufzüge, Beleuchtung und Heizsysteme lieber weiter mit dem teuer bezogenen externen Strom betreiben. Die Kosten dafür kann er auf die Mieter umlegen, den Ertrag der PV-Anlage hingegen voll einstreichen. Die auf dem Dach gewonnene Energie fließt so an den lokalen Energieversorger, der den Mietern dann bis zu 40 Cent pro kWh in Rechnung stellt – Win-Win für Vermieter und Energieversorger. Mieter profitieren eher von einem Balkonkraftwerk.

Meine Insel

Nun könnte man auf die Idee kommen, sich mit Hilfe einer PV-Anlage und einem großen Speicher komplett unabhängig vom öffentlichen Energienetz und dessen Preisschwankungen zu machen. In der Praxis ist das aber gar nicht so einfach. Zwar lässt sich die auf dem Dach über den Tag im Sommer erzeugte Energie prima speichern und dann nachts nutzen, über den Winter kommt man aber mit keinem gängigen Stromspeicher – selbst, wenn die PV-Anlage so großzügig ausgelegt ist, dass in der sonnigen Jahreszeit der gesamte Jahresbedarf an elektrischer Energie eingesammelt werden könnte.

Ein typischer Dreipersonenhaushalt benötigt im Jahr zwischen 3500 und 4500 kWh. Ein Großteil des Verbrauchs findet in der sonnenarmen Jahreszeit statt. Also müsste etwas mehr als der halbe Jahresenergieverbrauch gebunkert werden. Auch die modernsten und größten Lithiumakkus für PV-Anlagen fassen jedoch kaum mehr als 20 kWh. Man bräuchte also gut 20 solcher Speicher, die pro Stück gern mal 10.000 Euro kosten. Wirtschaftlich ist das nie und auch technisch ist so eine Installation nicht sinnvoll. Wer nach Autarkie strebt, muss andere Wege gehen und die für den Winter benötigte Energie etwa mit einer Wasserstoffanlage zwischenspeichern – das ist ein spannendes, aber auch schnell sechsstelliges Abenteuer.

Eine Notstromversorgung ist mit einer PV-Anlage nebst großer Batterie aber durchaus realisierbar. Der Wechselrichter muss dann entsprechend ausgelegt und „schwarzstartfähig“ sein. Das bedeutet, dass die Anlage auch dann anläuft, wenn das Netz abgeschaltet oder ausgefallen ist. Dazu muss die Hauselektrik im Notstrombetrieb unter allen Umständen zuverlässig vom Netz getrennt werden. Schließlich möchte man weder die gesamte Gemeinde mit den paar kWh aus dem Akku versorgen noch das vielleicht aus gutem Grund abgeschaltete Netz wieder unter Spannung setzen.

Wirklich unterbrechungsfrei ist so eine Notstromversorgung allerdings nicht: Die Umschaltzeiten der Wechselrichter sind in dieser Betriebsart recht lang, Server & Co. würden den Ausfall ohne zusätzliche Pufferung nicht überstehen. Hinzu kommt noch, dass so ein System aus Batterie und Wechselrichter nur eine begrenzte Entladeleistung hat. Sie liegt je nach Fabrikat und Größe zwischen 1 und knapp 6 kW. Das Haus – oder besser, die per Notstrom versorgten Komponenten und Stromkreise – dürfen diese nie überschreiten. Da der Aufpreis für einen notstromfähigen Wechselrichter vor allem bei großen Anlagen nicht allzu hoch ausfällt, lohnt es sich trotzdem, dieses Feature zumindest einmal mit dem Anlageninstallateur zu besprechen.

Mit Wind

Wenn die Sonne nicht scheint, weht oft der Wind. Da liegt es nahe, neben der PV-Anlage auch gleich noch ein Windrad aufs Dach zu pflanzen. Prinzipiell ist das durchaus möglich. Größtes Hindernis für einen wirtschaftlichen Betrieb ist hier die tatsächlich nutzbare Energie aus dem anströmenden Wind. Selbst modernste Anlagen können maximal 45 Prozent der Windenergie in elektrische Leistung umwandeln (siehe Seite 38).

Dieser Idealfall wird aber nur von sehr großen Windrädern erreicht. Die vielerorts angebotenen Mikro-Windkraftanlagen haben in der Regel einen viel schlechteren Wirkungsgrad. Schon allein aufgrund ihrer geringen Flügelgröße erzeugen sie nur wenig Energie und das oft nur unter Idealbedingungen. Diese herrschen „auf dem Dach“ aber eigentlich nie, denn Verwirbelungen durch das Dach, umstehende Gebäude und Bäume vermindern die nutzbare Energie erheblich. Die Physik lässt sich hier auch durch noch so futuristisch anmutende Flügelkonstruktionen nicht überlisten.

Die Kombination aus PV-Anlage und Mikrowindkraftanlage auf dem eigenen Grundstück birgt aber noch weitere Fallen: Der Betrieb einer solchen Mini-Anlage ist zwar in den meisten Bundesländern nicht genehmigungspflichtig. Doch das gilt nur, wenn man den erzeugten Strom nicht ins öffentliche Netz einspeist. Doch wie stellt man fest, woher der eingespeiste Strom stammt? Kommt er aus der PV-Anlage, die korrekt angemeldet ja ins Netz einspeisen darf, oder aus dem Windrad auf dem Dach, das das nicht darf? Klar ließe sich das technisch ermitteln, doch der Aufwand übersteigt den Nutzen deutlich. Trotzdem kann sich eine Kleinwindkraftanlage lohnen. Für wen, das erörtern wir ab Seite 34.

Für die Umwelt

Ein Aspekt der privaten Erzeugung CO2-freier elektrischer Energie blieb bislang unbeachtet: Wer seinen Strom selbst aus Wind und Sonne erzeugt, schont bei richtiger Auslegung der Anlage nicht nur sein Portemonnaie, sondern auch die Umwelt. Bei PV-Modulen kann man inzwischen von einer Lebensdauer von mehr als 30 Jahren ausgehen. Zwar werden Solarpanels über die Zeit schwächer, doch der Energieertrag ist auch nach langer Betriebsdauer noch beachtlich. Natürlich verlieren auch die gegebenenfalls vorhandenen Akkus im Laufe der Jahre einen Teil ihrer Kapazität, dramatisch ist das bei modernen Speichersystemen aber nicht mehr. Unterm Strich spart so eine PV-Anlage über die Lebensdauer gerechnet weit mehr CO2 ein, als die Produktion, der Transport und die Installation gekostet haben. Allein das motiviert viele Menschen heute, in Photovoltaik zu investieren – sei es in Form einer großen Anlage auf dem Dach oder auch als kleines Balkonkraftwerk.

Wer daheim keine Möglichkeit hat, Solarenergie zu nutzen, kann trotzdem einen Beitrag zur Energiewende und damit zur Erhaltung unserer Umwelt leisten: An vielen Orten entstehen aktuell Bürgerwindparks und Bürger-Solaranlagen. An diesen kann man sich finanziell und manchmal auch durch Mitarbeit beteiligen. (gs@ct.de)

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